Entgegen allen politischen Ankündigungen schlägt die Bürokratie wieder zu. Angeblich bestehe die Verpflichtung, im WpHG-Bogen dem Kunden Kontrollfragen zu stellen, um sich zu vergewissern, ob der Kunde tatsächlich ausreichende Kenntnisse zum Erwerb eines Wertpapiers besitze.
Ich halte das für sehr misslich. Zum einen wird der Kundenanalysebogen deutlich länger und zum zweiten ist es im Vertrieb sehr lästig, wenn der Kunde nach Abfrage der ganzen Daten auch noch examiniert wird. Er wird das als Belästigung empfinden. Der Vertrieb wird dadurch erschwert.
Dennoch preschen gegenwärtig die Genossen vor und für Volks- und Raiffeisenbanken empfiehlt deren Beratungs- und Outsourcing-Gesellschaft, die Atruvia AG, solche Kontrollfragen im WpHG-Bogen vorzusehen. Unter Verweis auf die Änderungen in den MaComp schlägt sie vor, die Kunden in eine Basisstufe und eine Ausbaustufe einzuteilen und jeweils in etwa folgende Fragen zu stellen:
Fragen und Antworten in der Basisstufe
Welche Aussagen treffen auf eine Investition in Wertpapiere zu? (Fünf Antworten sind richtig)
  • Festgelder und Spareinlagen zählen zu den Wertpapieren.
  • Bei Investmentfonds erwerbe ich einen Anteil an einem Vermögen, das in verschiedene Anlagen investiert, z. B. in Wertpapiere wie Aktien und Anleihen oder in Immobilien. Bei aktiv gemanagten Fonds trifft der jeweilige Fondsmanager die Investitionsentscheidungen.
  • Mit dem direkten Erwerb einer Aktie investiere ich unmittelbar in ein Unternehmen. Dadurch werde ich Mitinhaber des Unternehmens.
  • Mit dem Kauf einer Anleihe leihe ich einem Unternehmen oder einem Staat für einen festgelegten Zeitraum Geld.
  • Mit dem Kauf eines Anlagezertifikats investiere ich in ein Wertpapier, bei dem die Zahlungen an bestimmte Bedingungen wie beispielsweise die Wertentwicklung einer Aktie oder eines Index (sog. Basiswerte) geknüpft sind.
  • ETFs (Exchange Traded Funds) sind börsengehandelte Investmentfonds, die die Wertentwicklung von Indizes, z. B. des DAX (Deutscher Aktienindex) nachbilden. Da bei solchen Fonds kein Fondsmanager Investitionsentscheidungen trifft, spricht man auch von einem passiven Management.
  • Ich kenne die Antwort nicht.
Fragen und Antworten in der Ausbaustufe
Welche Aussagen zu Bonitätsabhängigen Schuldverschreibungen sind zutreffend? (Zwei Antworten sind richtig)
  • sind besonders bonitätsstarke Anleihen, weil Zins- und Rückzahlungen vom Emittenten und vom Referenzschuldner garantiert werden.
  • sind Anleihen, deren Zins- und Rückzahlung von der Kreditwürdigkeit (Bonität) eines Referenzschuldners abhängt.
  • können im Fall eines Kreditereignisses (z. B. Insolvenz oder Herabstufung der Bonität) beim Referenzschuldner zu einem Betrag abgerechnet werden, der deutlich unter dem eingesetzten Kapital liegt.
  • Ich weiß die Antwort nicht
Welche Aussagen zu Basket-Zertifikaten sind zutreffend? (Zwei Antworten sind richtig)
  • sind an mehrere Einzelwerte oder Indizes geknüpft (sog. „Basket“), die für die Wertentwicklung maßgeblich sind.
  • können sich hinsichtlich der Bestandteile des Baskets oder deren Gewichtungen im Basket deutlich unterscheiden (z.B. Rohstoffbaskets vs. Aktienbaskets).
  • sind Wertpapiere, deren Wertentwicklung sich am Erfolg von Basketballteams orientiert.
  • Ich weiß die Antwort nicht
Welche Aussagen zu Reverse-Zertifikaten sind zutreffend? (Zwei Antworten sind richtig)
  • sind Wertpapiere, die sofort nach Kauf irreversibel verfallen und damit eine wertlose Vermögensanlage darstellen.
  • reagieren grundsätzlich in die entgegengesetzte Richtung („reverse“) zur Wertentwicklung des Basiswerts.
  • eine negative Wertentwicklung des Basiswerts führt zu Kursgewinnen.
  • Ich weiß die Antwort nicht.
Aus meiner Sicht werden die Kunden durch die Fragen verwirrt. Werden dem Kunden diese Fragen per Post, E-Mail oder elektronisch gestellt, gibt es wahrscheinlich viele Rückfragen und die ordnungsgemäße Beantwortung durch die Kunden dürfte kaum bei einer Quote über 20 Prozent liegen.
In den ESMA-Papieren und den MaComp ist das lediglich eine Soll-Vorschrift und dort ist formuliert, die Institute sollten beispielhaft solche Kontrollfragen stellen.
Zur Geeignetheit:
7.1.4 Nr. 3: b. Anstatt zu fragen, ob ein Kunde über ausreichende Kenntnisse der wichtigsten Merkmale und Risiken der spezifischen Arten von Produkten verfügt, sollte das Unternehmen beispielsweise Fragen stellen, die auf die Beurteilung der tatsächlichen Kenntnisse des Kunden über spezifischen Arten von Produkten abzielen, beispielsweise indem dem Kunden Multiple-Choice-Fragen gestellt werden, die er richtig beantwortet sollte.

7.1.4 Nr. 9: Die Unternehmen müssen Verfahren einführen, um dem Risiko zu begegnen, dass die Kunden ihre Kenntnisse und Erfahrungen überschätzen. So könnten z.B. Fragen vorgesehen werden, die es den Unternehmen ermöglichen, das Gesamtverständnis des Kunden hinsichtlich der Merkmale und der Risiken der einzelnen Arten von Produkten zu beurteilen. Diese Maßnahmen sind unter Umständen im Falle von „Robo-Advice“ besonders wichtig, da das Risiko der Selbstüberschätzung womöglich steigt, wenn Kunden Informationen über ein automatisiertes (oder halbautomatisiertes) System mitteilen, und zwar insbesondere in Situationen, bei denen ein begrenzter oder gar kein persönlicher Kontakt zwischen Kunden und den Mitarbeitern des Unternehmens vorgesehen ist.
Zur Angemessenheit:
BT 6.2. Nr. 7, 8 2. Bulletpoint: • anstatt den Kunden zu fragen, ob er über ausreichende Kenntnisse der wichtigsten Merkmale und Risiken spezieller Arten von Produkten verfügt, sollte das Unternehmen beispielsweise Fragen stellen, die auf die Beurteilung der tatsächlichen Kenntnisse des Kunden über spezielle Arten von Produkten abzielen, beispielsweise indem dem Kunden Multiple-Choice-Fragen gestellt werden, die er richtig beantworten sollte.
Deswegen war im letzten Jahr mehr oder weniger informell Konsens, dass sich diese Anforderung an Robo-Adviser richtet, nicht aber z.B. an Vermögensverwalter oder Makler mit persönlichem Kundenkontakt. Angeblich ist die Postbank aber das erste Institut gewesen, dass solche Kontrollfragen einsetzt, in der Commerzbank existieren angeblich auch entsprechende Umsetzungspläne. Im VuV waren wir uns einig, die Anforderungen nicht umzusetzen. Ob sich diese Linie durchsetzen lässt, wird problematisch, da anscheinend gegenwärtig der Genossenschaftssektor einschwenkt und die Kontrollfragen umsetzt.
Für bevorstehende Diskussionen mit Wirtschaftsprüfern oder Aufsichtsbehörden möchte ich Sie gerne ein wenig aufmunitionieren. Wie auch der VuV, halte ich die Kontrollfragen zur Kenntnisvermittlung für nicht zwingend. Dabei kann man sich auch auf BT 7.1.3 Nr. 6b der MaComp berufen, wo die BaFin wie folgt ausführt:
„b. Bei der Erbringung der Finanzportfolioverwaltung müssen die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden in Bezug auf die einzelnen Produkte, die in das Portfolio einfließen können, nicht so detailliert sein wie im Falle der Anlageberatung. Gleichwohl muss der Kunde zumindest die allgemeinen Risiken des Portfolios verstehen und eine grundlegende Vorstellung von den Risiken haben, die mit den einzelnen Arten von Produkten verbunden sind, die in das Portfolio aufgenommen werden können. Die Unternehmen müssen sich ein deutliches Bild vom Anlegerprofil des Kunden verschaffen.“
Zu diesem Punkt lohnt es sich, den Schweiß der edlen zu vergießen und den Kampf noch nicht aufzugeben. Nutzen Sie gerne die von mir oben angebotene Argumentation.
Gerne halte ich Sie zu diesem spannenden Thema auf dem Laufenden und verbleibe bis dahin mit den besten Grüßen
Ihr Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt