Nun sind sie endlich da, die BaFin hat die Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Wertpapierinstituten (WpI MaRisk) vorgestellt und veranstaltet dazu im Moment eine Anhörung.
Ein Musterbeispiel für die von der Regierung versprochene Endbürokratisierung sind sie nicht. Es sind wieder fast 60 Seiten zusammengekommen. Im Wesentlichen werden die bekannten MaRisk umgeschrieben und auf die Geschäftstätigkeit von Wertpapierinstituten übertragen. Lassen Sie uns einen Blick in die Entwürfe werfen:
In einem allgemeinen Teil werden die Themen der WpI MaRisk vorgestellt, nämlich
  • Regelungen zur Aufbau- und Ablauforganisation,
  • Risikomanagementprozesse,
  • Risikomanagement-Funktion und Compliance-Funktion und
  • Interne Revision.
Die WpI MaRisk gelten für mittlere und für kleinere Wertpapierinstitute, den letzteren werden verschiedene Erleichterungen eingeräumt. Als erstes verlangen die WpI MaRisk von allen Wertpapierinstituten eine Risikoinventur, es sollen die Risiken für die Kunden, die Risiken für den Markt und die Risiken für das Wertpapierinstitut erfasst werden. Darunter fallen auch operationelle Risiken und ESG-Risiken. Die WpI MaRisk sollen für alle Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen sowie alle Nebengeschäfte nach § 2 Abs. 2, 3 und 4 WpIG gelten.
Wie auch für Banken wird die Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung betont, sie muss alle Risiken beurteilen können und Maßnahmen zur Begrenzung der Risiken treffen. Jeder Geschäftsleiter ist für die Einrichtung angemessener Kontroll- und Überwachungsprozesse in seinem jeweiligen Zuständigkeitsbereich verantwortlich.
Mittlere Wertpapierinstitute haben einen gesonderten Prozess zur Definition der Risikotragfähigkeit zu unterhalten. Die wesentlichen Risiken des Instituts müssen durch das Risikodeckungspotenzial laufend abgedeckt sein. Dazu ist ein interner Prozess einzurichten, der auch die Ziele Fortführung des Wertpapierinstituts, Anlegerschutz und Marktintegrität zu berücksichtigen hat. Werden wesentliche Risiken nicht erfasst, muss dies gesondert begründet werden.
Jedes kleine und mittlere Wertpapierinstitut muss zumindest einen Kapitalplanungsprozess unterhalten, in dem der zukünftige Kapitalbedarf und das zur Deckung dieses Kapitalbedarfs verfügbare Kapital gesteuert werden. Dabei ist auch adversen Entwicklungen, die von Planungsprozess abweichen, Rechnung zu tragen. Mindestens ein angemessenes adverses Szenario ist zu berücksichtigen.
Die Geschäftsleitung hat eine ökonomisch nachhaltige Geschäftsstrategie festzulegen, einschließlich einer zukunftsgerichteten Analyse des Geschäftsmodells mit belastbaren Annahmen. Dabei sind externe Einflussfaktoren, wie z.B. Marktentwicklung, Wettbewerbssituation, regulatorisches Umfeld, veränderte Umweltbedingungen und die Transition zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu berücksichtigen, als auch interne Einflussfaktoren, wie z.B. die Ertragslage und Kapitalausstattung, Liquidität, sowie personelle und technisch-organisatorische Ressourcen zu berücksichtigen.
In einem zweiten Schritt ist aus dieser Geschäftsstrategie eine den daraus resultierten Risiken Rechnung tragende und konsistente Risikostrategie festzulegen. Dieser zweite Schritt muss auch überprüft werden. Wenn die Geschäftsstrategie in der alleinigen Verantwortung der Geschäftsleitung liegt, hat die interne Revision zu überprüfen, ob die Risikostrategie konsequent aus der Geschäftsstrategie abgeleitet wurde und auch der Strategieprozess angemessen ist. Die strategischen Ziele und Maßnahmen zur Erreichung der Eckpunkte müssen ausreichend konkret formuliert sein. Dazu gehören Aussagen zur zukünftig geplanten Ausgestaltung der IT-Systeme und möglicher umfangreicher Auslagerungen.
In die Risikostrategie gehört auch der Risikoappetit, z.B. durch quantitative Vorgaben wie die Strenge der Risikomessung, Globallimite, Puffer für bestimmte Stressszenarien, sowie Risikoindikatoren für ESG-Risiken als auch qualitative Vorgaben, z.B. die Vermeidung oder Einschränkung bestimmter Geschäftsarten oder Geschäftsfelder. Dazu ist ein regulärer Strategieprozess einzurichten, der aus dem Komponenten Planung, Umsetzung, Beurteilung und Anpassung der Strategie besteht. Eine sinnvolle Überprüfung der Zielerreichung muss möglich sein.
Für kleine Wertpapierinstitute kann der Strategieprozess und die Überwachung der Zielerreichung einfach ausgestaltet sein, was auch immer das dann heißen mag.
Für mittlere Wertpapierinstitute sind Stresstests vorgeschrieben, für kleine Wertpapierinstitute ist in der Regel die Betrachtung eines adversen Prozesses im Rahmen der Kapitalplanung ausreichend.
Jedes Wertpapierinstitut soll über eine unabhängige Risikomanagement-Funktion verfügen, die bei kleinen Wertpapierinstituten durch einen Geschäftsleiter wahrgenommen werden kann. Deren Aufgabe besteht unter anderem in der
  • Unterstützung der Geschäftsleitung in allen risikopolitischen Fragen,
  • Durchführung der Risikoinventur,
  • Unterstützung der Geschäftsleitung bei der Weiterentwicklung der Risikomanagementprozesse,
  • laufende Überwachung der Risikosituation des Wertpapierinstituts,
  • der Risikotragfähigkeit und der Kapitalplanung, sowie der Einhaltung der Risikolimite,
  • Erstellung der Risikoberichte für die Geschäftsleitung,
  • unverzügliche Weitergabe von wesentlichen Informationen für Risikogesichtspunkte.
Erfreulicherweise enthalten die Entwürfe eine Abgrenzung der Aufgaben von Compliance-Funktion und interner Revision. Die Compliance-Funktion soll Risiken beleuchten, die sich aus der Nichteinhaltung rechtlicher Regelungen und Vorgaben ergeben können und dem Entgegenwirken. Dem gegenüber soll die Innenrevision Wirksamkeit und Angemessenheit des Risikomanagementprozesses sowie die Ordnungsgemäßheit grundsätzlich aller Aktivitäten und Prozesse (auch Auslagerung) prüfen und beurteilen. Wenn die Einrichtung einer internen Revision unverhältnismäßig ist, so kann diese Aufgabe einem Geschäftsleiter übertragen werden. Bei sehr kleinen Unternehmen kann die interne Revision entfallen.
Die WpI MaRisk enthalten Vorgaben an das Personal, die technisch-organisatorische Ausstattung, das Notfallmanagement, den New Product Process, Auslagerungen mit detaillierten Vorgaben für die Auslagerungsverträge. Ebenso finden sich detaillierte Vorgaben für Handelsgeschäfte. Das sind die Geschäfte, die das Institut im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätigt, insbesondere im Eigenhandel oder für Eigengeschäfte. Das dürfte allerdings für kleine Wertpapierinstitute in der Regel nicht relevant werden.
Es finden sich auch Ausführungen zu dem Einsatz vertraglich gebundener Vermittler, hier allerdings nichts wesentlich Neues.
Detailliert wird auch der Risikomanagementprozess beschrieben. Risken aus der laufenden Tätigkeit werden definiert als
  • Risiken für Kunden,
  • Risiken für den Markt,
  • Risiken für das Wertpapierinstitut,
  • sonstige Risiken,
  • Liquiditätsrisiken und
  • das Risiko einer ungeordneten Abwicklung.
Risiken für Kunden sind eine ungeeignete Anlageberatung, das Versäumnis, Verfahren zur Verhinderung von Pflichtverletzungen gegenüber Kunden und aufsichtsrechtlichen Vorgaben einzuhalten, Fehler beim Handel oder der Bewertung, Betriebsunterbrechungen und Systemausfälle sowie Handlungen von vertraglich gebundenen Vermittlern, für die das Institut haftet.
Risiken für den Markt sollen Risiken sein, die anderen Marktteilnehmern aus den Wertpapierdienstleistungen des Instituts entstehen können. Das betrifft die Veränderlichkeit der Positionswerte, den Handel mit komplexen und illiquiden Produkten, dabei ist die Markttiefe der Aktivitäten des Instituts zu berücksichtigen. Bei den meisten kleinen Wertpapierinstituten dürfte das kaum relevant werden.
Risiken für das Wertpapierinstitut selbst sind die in § 45 Abs.3 WpIG genannten Positionen, das sind Risiken aus wesentlichen Veränderungen des Buchwerts von Vermögensgegenständen, Forderungen von Kunden gegenüber vertraglich gebundenen Vermittlern, Zahlungsausfall von Kunden oder Kontrahenten, Positionen in Finanzinstrumenten, Währungen und Rohstoffen, sowie eigene Verpflichtungen des Instituts gegenüber Altersversorgungssystemen.
Liquiditätsrisiken sind die Risiken für die Zahlungsverpflichtungen des Instituts, dem soll das Institut durch die Diversifikation von Refinanzierungsquellen begegnen.
Auch das Risiko einer ungeordneten Abwicklung soll gesteuert werden, dazu gehört die Schätzung eines realistischen Zeitrahmens für die Abwicklung, die Einschätzung der operativen und rechtlichen Aufgaben während des Abwicklungsprozesses unter Berücksichtigung eines realistischen Zeitrahmens, Ermittlung und Bemessung der fixen und variablen Kosten, der wesentlichen Risiken und Risikokomponenten während des Abwicklungsprozesses. Gefordert wird die Bestimmung von Abwicklungsszenarien und eine Planung für eine geordnete Abwicklung.
Es ist nicht alles neu, ein paar Aktualisierungen wird man aber in den Organisationshandbüchern vornehmen müssen. Wir warten die endgültige Fassung ab und dann machen wir uns für Sie an die Arbeit.
Ich verbleibe mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt