Neben den aufsichtsrechtlichen Vorgaben müssen wir auch immer wieder die Rechtsprechung im Auge behalten. Leider machen wir immer wieder die Erfahrung, dass Gerichte aufsichtsrechtliche Vorgaben noch deutlich strenger auslegen und umsetzen als BaFin und Bundesbank. Das ist vor allem dann gefährlich, wenn sich die Rechtsprechung den erlaubnispflichtigen Geschäften zuwendet und Anleger Anbieter mit dem Argument verklagen, sie hätten ohne Lizenz erlaubnispflichtiges Geschäft betrieben.
Für Anlegerschutzanwälte ist diese Argumentation verlockend, weil bei unerlaubt betriebenem Geschäft der Anbieter für alle Schäden haften muss. Es ist wie beim Fahren ohne Führerschein. Wer ohne Führerschein an einem Unfall beteiligt ist, wird immer die Schuld bekommen, weil er eben gar nicht hätte am Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Das Gleiche gilt für einen Anbieter, der ohne BaFin-Lizenz Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen erbringt, er hätte es nicht tun dürfen und deswegen ist er für den gesamten Schaden verantwortlich. Der Anlegerschutzanwalt muss dann gar nicht mehr beweisen, dass eine Anlage schlecht oder fehlerhaft war, der Anbieter haftet für alle Folgen des unerlaubt erbrachten Geschäfts.
In jüngster Zeit sehen wir Tendenzen der Rechtsprechung, kollektive Anlagemodelle als Eigenhandel einzustufen oder eine unerlaubte Anlageverwaltung zu unterstellen.
Das kann die unterschiedlichsten Anlagemodelle treffen. Ein Beispiel sind Zweckgesellschaften, einschließlich Verbriefungsgesellschaften. Diese finanzieren z.B. Mittelständler, Startups oder auch Bauunternehmer durch Anleihen. Die Refinanzierung erfolgt oftmals auch durch Anleihen, Genussscheine oder andere Verbriefungen gegenüber den Geldgebern. Anlegerschutzanwälte behaupten, dass sei doch letztlich Eigenhandel in der Form des Anschaffens oder Veräußerns von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere. Die gleiche Argumentation wird Treuhändern und Family Offices entgegengehalten. Es kann auch einfache Handelsgesellschaften treffen, wenn diese für Kunden irgendwelche Geschäfte in Finanzinstrumenten ausführen, insbesondere weil der Finanzinstrumente-Begriff in den letzten Jahren drastisch ausgeweitet wurde und sich z.B. auch auf Krypto-Werte, Tokens, Bitcoins usw. erstreckt.
Ganz misslich ist die Rolle der BaFin gegenüber den Staatsanwaltschaften. Da Strafanzeigen nichts kosten, erstatten Anleger oft erst einmal Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und lassen diese ermitteln. Diese sind aber gehalten, bei Tatbeständen aus dem Kreditwesengesetz bei der BaFin nachzufragen. Die äußert sich dann oft sehr nebulös und weit und teilt den Staatsanwaltschaften mit, welche Tatbestände im Kreditwesengesetz möglicherweise einschlägig sein könnten, und fordert diese zu weiteren Ermittlungen auf. Die Staatsanwaltschaften stellen zwar dann wegen des großen Aufwands und weil sie sich nicht auskennen die Verfahren ein, den Anlegerschutzanwälten ist aber eine Argumentation an die Hand gegeben.
Hier gilt es in den Verfahren frühzeitig Stellung zu beziehen und die rechtlichen Verhältnisse klarzustellen. Bitte unterschätzen Sie solche Korrespondenz zwischen BaFin und Staatsanwaltschaft nicht. Über eine Akteneinsicht gelangen die Stellungnahmen der Bafin in die Hände von Strafverteidigern und werden dann zulasten der Anbieter verwendet.
Das gilt auch für den Tatbestand der Anlageverwaltung. Der wurde eigentlich ins Gesetz eingefügt, um geschlossene Fondsmodelle unter die Aufsicht zu stellen. Der Tatbestand hat sich mit Inkrafttreten der AIFM-Richtlinie und der Beaufsichtigung der geschlossenen Fonds durch das Kapitalanlagegesetzbuch erledigt. Leider hat man aber diesen rechtlichen Zombie nie aus dem Kreditwesengesetz gestrichen. Die Anlageverwaltung bleibt daher eine latente Gefahr für jedes kollektive Anlagemodell. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, Staatsanwaltschaften und Gerichten frühzeitig vor Augen zu führen, dass dieser Tatbestand eng gefasst ist, ein Auffangtatbestand war und nicht nach Belieben angewandt werden darf.
Besonders abstrus wird das Ganze, wenn ausländische Gesellschaften angegangen werden. Das kann passieren, wenn die Anleger Deutsche sind und ein deliktischer Gerichtsstand in Deutschland begründet werden kann. Dann muss sich eine ausländische Gesellschaft damit herumschlagen, ob ihre Tätigkeit nicht unter veraltete Tatbestände des deutschen Kreditwesengesetzes fallen könnte. Noch abstruser wird es, wenn bereits die Absicht solcher Geschäfte geahndet werden soll, weil angeblich nach § 32 KWG schon die Absicht, solche Geschäfte zu erbringen eine Lizenzpflicht auslösen soll. Es braucht aber nicht eine Banklizenz, wer Bankiers sein will, sondern nur wer Bankgeschäfte auch tatsächlich erbringt, bedarf der Bafin-Lizenz.
Bitte prüfen Sie daher solche Geschäftsmodelle genau, ob als Initiator oder als Vertreiber. Sobald Handelsgeschäfte in irgendwelchen kollektiven Anlagevehikeln getätigt werden, kann gerichtlicher Ungemach drohen.
Mit den besten Wünschen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt