Die Marketingbemühungen von Instituten verlagern sich immer mehr ins Internet. Social Media ist der neue Kommunikationskanal. Jüngere Anleger informieren sich über Social Media. Die alten Printmedien werden durch digitale Informationskanäle ersetzt.
Damit gehen aber nicht nur begrüßenswerte Methoden einher. Die ESMA bemängelt in einem neuen Diskussionspapier zunehmend die Praktiken der Onlinevermarktung von Wertpapieren.
Ausgangspunkt der ESMA ist die Verpflichtung aus MiFID II, Kundenkommunikation nicht irreführend, fair und klar zu gestalten. Das sei nicht der Fall, wenn der Kunde über verschiedene Kommunikationskanäle wie Homepage, Social Media, Hyperlinks und Chat-Funktionen mit verwirrenden Inhalten bombardiert werde. Für den Kunden sei dann nicht erkennbar, welcher der für ihn essenzielle Kommunikationskanal sei, wo inhaltliche Informationen zu finden sind und reine Werbung beginnt.
Die ESMA regt sogenannte Layering-Techniken an, die für Anleger digitale Informationen abschichten. Zusätzliche Informationskanäle für den Kunden, wie z.B. Hyperlinks oder QR-Codes, sollen die wichtige Informationen für den Kunden nicht verschleiern. Informationen für den Kunden auf der Homepage sollen nicht nur die Vorteile eines Finanzinstruments darstellen und die Risiken dann lediglich per Hyperlink oder QR-Code zur Verfügung gestellt werden. Die wesentlichen Informationen sollen in klarer und verständlicher Sprache aufbereitet werden. Die für den Kunden wesentlichen Informationen sollen immer klar und deutlich auf erster Ebene der Kommunikation an den Kunden präsentiert werden. Dazu gehören der Name des Unternehmens, Risikohinweise, Kosten und Gebühren.
Zur klaren und fairen Kommunikation gehöre auch, Äpfel und Birnen zu trennen. Die ESMA kritisiert die gleichzeitige Vermarkung von CFD´s, Zertifikaten, SRP´s und ähnlicher Produkte auf einer Oberfläche neben typischen Aktien oder Anleihen, die den Kunden auf einer Oberfläche dazu verleiten, eher zu den synthetischen Produkten zu greifen, als beim „Original“ zu bleiben. Vor allem bei den Neobrokern würden Kunden durch visuelle Gestaltung von Seiten dazu verleitet, Orders für Surrogate und Derivate zu erteilen, anstatt die Einzeltitel auszuwählen. Durch Gestaltung der Orderoberflächen würden die Kunden dadurch in strukturiere und komplizierte Produkte gelockt.
Deswegen sei es erforderlich, dem Kunden stets zu verdeutlichen, ob er ein CFD, ein Future, eine Option, ein Zertifikat oder eben den Basiswert ordert.
Ein Missstand sei auch der Einsatz von sogenannten „Finfluencern“. Institute sollen in der Onlinewerbung verpflichtet werden, beim Einsatz von Finfluencern darauf zu achten, dass diese zwischen Information und Werbung unterscheiden. Redaktionelle Inhalte und Marketinginhalte sollen getrennt werden. Vor allem Kleinanleger sollen nicht durch Massenmarketing in risikoreiche CFD´s, Zertifikate und sonstige strukturierte Finanzinstrumente gelockt werden.
Sogenanntes „Content-Marketing“ durch zur Verfügungstellung von Schulungsvideos, Webinaren, Interviews und sonstigen Bildungsinhalten sollen nicht mit dem Marketing für risikoreiche Produkte vermengt werden. Solches Lehrmaterial, das dem Marketing von Finanzinstrumenten gilt, soll auch als Marketingmaterial gekennzeichnet werden.
Die ESMA kritisiert auch ein Ausweichen des Onlinemarketing auf nicht regulierte Tochtergesellschaften. So würden durch „Affiliate-Marketing-Strategien“ gezielt unregulierte Unternehmen eingesetzt, die die Werbevorgaben der MiFID II umgehen. Die ESMA betont neue gesetzliche Initiativen in Portugal und Spanien, die solche Marketingmaßnahmen unterbinden und z.B. nur vertraglich gebundene Vermittler von Instituten als Werbeträger zulassen. In Frankreich würden Finfluencer an die Kandare genommen und es würde ihnen eine Onlinewerbung für hochkomplexe und riskante Produkte sowie digitale Vermögenswerte (Coins und Token) verwehrt.
Die ESMA strebt eine Verpflichtung der Institute an, bei Kooperationen zu Werbemaßnahmen über Tochtergesellschaften und Influencer die MiFID II Vorgaben für faire, klare und nicht irreführende Information einzuhalten.
Sehr kritisch setzt sich die ESMA auch mit den sogenannten „Gamification-Techniken“ auseinander. Das beginnt bei Chatfunktionen bis hin zu der Bildung von Usergruppen, um bestimmten Tradern bei deren Tätigkeit zu folgen. Kritisch sieht die ESMA z.B. „Copy-Trading-Ranglisten“, in denen der Kunde technisch in die Lage versetzt wird, z.B. den erfolgreichsten Tradern des letzten Monats zu folgen. Digitales Lob für bestimmte Initiativen, vor allem um jüngeres Publikum anzuziehen, die Erledigung von Aufgaben, Quizfragen usw. sieht die ESMA kritisch. Digitale Aufrufe durch Banner wie „Trade and Win“ oder Belohnungen wie „You did It!“ oder die Auszeichnung als Gewinner zwischen „Top Players“ mit einem Ranking der Trader und einem Aufruf am Schluss „Go Trade Now!“ sieht die ESMA nicht gerne. Das ermutige glücksspielähnliches Verhalten und adressiere junge Internetakteure, die für Handyspiele anfällig seien.
In solchen Tools dürften nicht absichtlich teurere oder hauseigene Produkte bevorzugt werden und der Fokus der User auf risikoreiche Investitionen und kurzfristige Ergebnisse zu einzelnen Transaktionen gelegt werden.
Beleuchtet wird auch das Design und die Architektur von Websites und Oberflächen und der Einsatz von sogenannten Nudging-Techniken. Der Kunde soll nicht durch eine Oberflächengestaltung, die CFD´s, Kryptowerte, Turbos und Futures oder Forex-Geschäfte gleichberechtigt zu Anleihen, Fonds oder Aktien darstellt, über den Risikogehalt dieser Produkte getäuscht werden. Das könne geschehen, indem z.B. auf einem Telefon eine Tastatur von 1 bis 9 erscheint und die Tasten 1 bis 5 für CFD´s, Kryptos, Turbos, Futures und Forex belegt seien, während die unteren Tasten 7-9 für Fonds, ETF´s und Aktien belegt würden. Dadurch entstehe der Eindruck einer gleichen Risikostruktur für diese Gattungen von Finanzinstrumenten. Auch durch Design, Gestaltung und Grafik dürfte dem Kunden nicht der Eindruck vermittelt werden, als ob risikoreiche, teure oder komplexe Finanzinstrumente bevorzugt werden sollten. Auch eine Beeinflussung durch Push-Elemente und Messenger-Dienste sieht die ESMA sehr kritisch.
Wahrscheinlich wird die ESMA die Ergebnisse der Anhörung bald in Leitlinien zum Onlinemarketing umwandeln und dann für verbindlich erklären.
Gerne halte ich Sie auf dem Laufenden.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt