Etwas überraschend hat die BaFin Anfang des Jahres die Möglichkeit, ein Institut von nur einem Geschäftsleiter führen zu lassen, in Frage gestellt. Sie stellt ein neues Merkblatt zur Konsultation, wonach in der Regel zwei Geschäftsleiter für ein Wertpapierinstitut bestellt werden müssen.
Sehen wir uns zunächst die Regelung in der MiFID II selbst an, sie findet sich in Art. 9 Abs. 6 MiFID II. Danach wird vorgeschrieben, dass mindestens zwei Personen ein Wertpapierinstitut lenken müssen. Die Mitgliedstaaten können auch Institute mit nur einem Geschäftsleiter zulassen, wenn alternative Regelungen bestehen, welche die solide und umschichtige Führung solcher Wertpapierfirmen und die angemessene Berücksichtigung von Kundeninteressen und deren Marktintegrität gewährleisten, und wenn der eine Geschäftsleiter ausreichend gut beleumundet ist, ausreichende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt und der Wahrnehmung seiner Aufgabe ausreichend Zeit widmet. Diese Regelung lässt Interpretationsspielraum zu und diesen versucht die BaFin mit dem Merkblatt zu füllen.
In dem geplanten Merkblatt definiert die BaFin zwei Risikokriterien, bei deren Vorliegen in der Regel die Leitung eines Wertpapierinstituts aus zwei Geschäftsleitern bestehen muss, nämlich:
  • die Reichweite des Wertpapierinstituts und/oder
  • die Komplexität des Geschäftsmodells des Wertpapierinstituts.
Die BaFin führt aus, eine hohe Reichweite beziehungsweise Komplexität des Geschäftsmodells ist bei großen und mittleren Wertpapierinstituten stets sowie bei kleinen Wertpapierinstituten in den folgenden Fällen anzunehmen:
  • Hohe Anzahl von Kunden i.S.d. § 67 Abs. 3 WpHG: Mindestens 1.000 Privatkunden;
  • Zweigniederlassungen im Ausland oder grenzüberschreitender Dienstleistungsverkehr: mindestens eine Notifizierung nach § 70 WpIG oder mindestens eine Notifizierung nach § 71 WpIG;
  • Produktbesonderheiten: Produkte, die nach den Konkretisierungen einer Zielmarktbestimmung für Kunden mit erweiterten Kenntnissen und/oder Erfahrungen mit Finanzprodukten bestimmt sind. Beispiele:
    • Index-Zertifikate auf Nicht-Standardindizes
    • Kapitalschutz-Zertifikate
    • Strukturierte Anleihen
    • Bonitätsabhängige Schuldverschreibungen
    • Aktienanleihen
    • Discount-Zertifikate
    • Express-Zertifikate
    • Bonus-Zertifikate
    • Outperformance-Zertifikate
    • Sprint-Zertifikate
    • Total Return Fonds
    • Absolute Return Fonds
    • Strukturierte OGAW;
  • Betreiben eines MTF/OTF oder
  • Anbindung einer Vielzahl vertraglich gebundener Vermittler: Regelvermutung ab 50 vertraglich gebundener Vermittler.
Hintergrund ist eine Kritik der ESMA an der Verwaltungspraxis der BaFin. In dem sogenannten „Brexit Peer Review“ vom 08.12.2022 hat die ESMA die BaFin dahingehend kritisiert, dass sie die Vorgaben der MiFID II hinsichtlich der Unternehmensführung kleiner Wertpapierfirmen nur unzureichend durchsetze.
Die BaFin will dieser Kritik folgen und die Leitung durch einen Geschäftsleiter nur noch in Ausnahmefällen zulassen. Dies könne nur unter Berücksichtigung alternativer Regelungen erfolgen, die die solide und umsichtige Führung des Wertpapierinstituts gewährleisteten.
Zwingend ist diese strenge Auslegung eigentlich nicht. Wie Sie alle wissen, kamen mit der MiFID II auch Spezialregelungen für die Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten. Das eine ist die IFR mit der neuen Regelung für die Eigenmittelunterlegung, es kamen aber auch Delegierte Verordnungen für die Zulassung von Instituten und für die Angaben im Inhaberkontrollverfahren für Wertpapierinstitute.
Die sogenannte Delegierte Verordnung 2017/1943 regelt die Anforderungen für die Zulassung von Wertpapierinstituten. Dort findet sich eine Spezialvorschrift für Wertpapierfirmen, die von einer einzigen natürlichen Person geführt werden, nämlich Art. 8. Dort wird ein einzelner Geschäftsleiter für zulässig erklärt, wenn er kurzfristig leicht kontaktiert werden kann, ausreichend Zeit für die Aufgabe verwendet, die Statuten des Instituts die Ersetzung des Geschäftsleiters zulassen, wenn er seine Aufgabe nicht erfüllen kann, und eine ausreichend gut beleumundete und qualifizierte Person zur Verfügung steht, die den Geschäftsleiter ersetzen kann. Mit etwas gutem Willen lässt sich diese Vorschrift als Spezialvorschrift für die Zulassung von Wertpapierinstituten verstehen, die den Regeln der MiFID II vorgeht (und die, wie oben dargestellt, sowie nicht so streng sind).
Deswegen empfehlen wir, die Gelegenheit der Anhörung zu nutzen und bei der BaFin vorstellig zu werden.
Nutzen Sie bitte die Chance.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt