Ein spezielles Schmankerl des deutschen Steuerrechts ist die Wegzugsbesteuerung. Ob Showgröße, Spitzensportler oder Unternehmer, sie alle werden durch verlockende Steuersätze im Ausland angelockt. Spätestens als Kaiser Franz sein Volk nach Kitzbühl verließ, hat sich auch der Gesetzgeber genötigt gesehen, steuerliche Grenzbäume zu errichten. Seit einigen Jahren existieren Exit-Taxes, für Privatvermögen die Wegzugsbesteuerung. Wer eine Beteiligung von mehr als 1 % an einer Kapitalgesellschaft hält und seinen Wohnsitz in Deutschland aufgibt, hat die stillen Reserven seiner Beteiligung zu versteuern. Er wird behandelt, als ob er mit dem Wegzug seine Beteiligung veräußert hätte. Die Regelung gilt für Personen, die schon seit 10 Jahren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig wohnen und dann ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland beenden.
Bis jetzt gelten Anteile an einem Investmenfonds, auch einem Spezial-Investmentfonds, als Sondervermögen nach dem Kapitalanlagegesetzbuch und nicht als Anteile an einer Kapitalgesellschaft. Damit gilt die Wegzugsbesteuerung nicht für Wertsteigerungen von Fonds im Privatbesitz.
Vor einigen Jahren wurde eine Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen in die Abgabenordnung aufgenommen. Prompt gingen Anzeigen beim Bundeszentralamt für Steuern ein, die darauf hinwiesen, dass genau diese Lücke genutzt werde. Angeblich würden Beteiligungen an jungen Unternehmen und Startups schon relativ früh in Fonds eingelegt, um bei einem späteren Wegzug des Fondsinhabers ins Ausland die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden. Die Sorge der Finanzverwaltung ist, dass Steuerpflichtige die Auflage eines Investmentfonds durch eine KVG initiieren, der Anteile an Startups hält und diese Gestaltung nicht von der Wegzugsbesteuerung erfasst werde. Der Bundesrat hat daher angeregt, diese Lücke zu schließen.
Der Bundestag ist dieser Empfehlung gefolgt. Im Jahressteuergesetz 2024 hat er eine Ergänzung von § 19 und § 49 des Investmentsteuergesetzes beschlossen. Danach werden nun die von Privatpersonen gehaltenen Anteile an Investmentfonds und Spezialfonds der Wegzugsbesteuerung unterworfen. Erfasst werden Anteile von inländischen und ausländischen Fonds, unabhängig davon, ob sie in inländischen oder ausländischen Depots verwahrt werden. Es kommt nur darauf an, ob der Privatanleger in Deutschland voll steuerpflichtig war und die Fondsanteile unmittelbar oder mittelbar im Privatvermögen hält.
Um nicht alle Fälle zu erfassen, wird die Regelung auf sogenannte gewichtige Fälle beschränkt, wie auch im Rahmen der bisherigen Wegzugsbesteuerung. Angelehnt an die bestehende 1%-Regelung für die Beteiligung an Unternehmen soll die Wegzugsbesteuerung durch Veräußerungsfiktion greifen, wenn der Privatkunde mindestens 1 % der ausgegebenen Investmentanteile eines Sondervermögens hält. Bei öffentlich vertriebenen Investmentfonds lasse sich die Gesamtzahl der ausgegebenen Investmentanteile aus den Halbjahres- und Jahresberichten entnehmen und daraus könne ermittelt werden, ob ein Steuerpflichtiger die 1%-Schwelle überschreite.
Die Regelung soll aber auch greifen, wenn ein Privatanleger mehr als 500.000,00 € an einem Fonds hält, präziser gesagt, wenn die Anschaffungskosten diese Schwelle überschreiten. Das macht die Sache für die Finanzämter schon schwieriger. Es wurde erwogen, ob zur Ermittlung eine Mitteilungspflicht für Kapitalverwaltungsgesellschaft und Depotbanken eingeführt werden sollte. Darauf hat man noch verzichtet. Die Finanzämter können aus den jährlich einzureichenden Einkommensteuererklärungen Erkenntnisse über das Vorhandensein potenziell erfasster (auch ausländisch verwahrter) Investmentanteile gewinnen. Im Rahmen der regulären Veranlagung würden die Finanzämter vom Wegzug eines Steuerpflichtigen erfahren und könnten dann entsprechende Auskünfte verlangen.
Bitte berücksichtigen Sie, dass es für die Wegzugsbesteuerung sehr detaillierte Regelungen zur Stundung und zur Rückkehr gibt. Diese können die anfallende Steuerpflicht erleichtern.
Die entscheidende Regelung dürfte aber sein, dass mehrere Beteiligungen an verschiedenen Investmentfonds nicht zusammengerechnet werden. Hat der Anleger beispielsweise Investmentanteile an fünf verschiedenen Investmentfonds erworben und hat er dabei jeweils 400.000,00 € Anschaffungskosten aufgewendet, dann ist der neue Tatbestand des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 b) Investmentsteuergesetz nicht erfüllt, auch wenn der Anleger ingesamt 2 Mio. € für seine gesamten Investmentanteile aufgewendet hat.
Damit ist eigentlich auch schon das Empfehlungs-ToDo an solche Privatanleger formuliert. Es wird sich anbieten, eine Investition von mehr als 500.000,00 € pro Investmentfonds eben nicht vorzunehmen. Das jedenfalls für Anleger, die es zum Skifahren in die österreichischen oder Schweizer Berge lockt.
Gerne stehe ich Ihnen für Rückfragen zur Verfügung.
Mit den besten Grüßen
Ihr Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt