Die EU hat ihre lange erwartete Strategie für Kleinanleger vorgestellt. Nach Auffassung der EU-Kommission investieren die EU-Bürger zu wenig in Wertpapiere. Um die Investition in Wertpapiere attraktiver zu machen, legt sie den Augenmerk auf die Kosten von Finanzprodukten, auf angebliche Missstände in der Anlageberatung und das Thema Provisionen.
1. Provisionen
Das ganze Thema der Provisionen soll nun direkt in der MiFID II Richtlinie geregelt werden, nicht mehr hauptsächlich in den Delegierten Rechtsakten. In der Vermögensverwaltung soll es vollständig verboten werden, Provisionen entgegenzunehmen oder zu bezahlen. Das bedeutet eine Verschärfung, denn bis jetzt war lediglich verboten, Provisionen im Zusammenhang mit einer Vermögensverwaltung anzunehmen und zu behalten. Sie konnten daher dem Kunden gutgeschrieben werden. Durch die Neuregelung würde jede Annahme von Provisionen schon gegen die MiFID II verstoßen.
Zudem dürften Provisionen im Zusammenhang mit einer Vermögensverwaltung auch nicht mehr gezahlt werden. Auch das bedeutet eine Verschärfung, weil heute noch aus Erträgen einer Vermögensverwaltung eine Provision an den Vertrieb gezahlt werden darf. In Zukunft sollen alle Provisionszahlungen im Zusammenhang mit der Wertpapierdienstleistung Finanzportfolioverwaltung generell verboten werden. Damit dürften Vermögensverwalter generell keine Intermediäre für den Vertrieb von Vermögensverwaltungen verprovisionieren.
Die dramatischste Änderung kommt aber für die Anlagevermittlung. Nach einem neuen Artikel 24 a Abs. 2 MiFID II sollen auch für die Anlagevermittlung und Ausführung von Kundenorders keine Provisionszahlungen mehr an Dritte bzw. auch nicht die Entgegennahme von Provisionen von Dritten erlaubt sein. Für die Ausführung und Weiterleitung von Kundenorders dürften dann keine Provisionen mehr vereinnahmt oder gezahlt werden. Das soll allerdings nur für Privatkunden gelten. Gelten soll das für Zahlungen von Dritten, die für die Gestaltung, Entwicklung, Emission und das Design von Finanzinstrumenten verantwortlich sind oder anderer Dritter, die für solche Personen handeln. Spitzfindig könnte man natürlich augmentieren, Depotbanken und Verwahrstellen, die gewöhnlich solche Provisionen abwickeln und auszahlen, stünden nicht im Lager der Produktgeber und seien diesen nicht zuzurechnen. Ich fürchte aber, dass dies am Willen des Gesetzgebers vorbeigehen würde.
Eine Ausnahme wird für die Anlageberatung formuliert. Für vermittelte Produkte, für die auch eine Anlageberatung erbracht wurde, soll die Provisionszahlung nach wie vor zulässig sein. Damit stellen sich aber schwierige Abgrenzungsprobleme. Ist der Anlagevermittlung eine Anlageberatung zu den gleichen Papieren vorausgegangen, soll eine Verprovisionierung zulässig sein. Für das beratene Geschäft soll eine Verprovisionierung nach wie vor zulässig sein. Damit stellt sich die schwierige Frage der Abgrenzung von Beratungsgeschäft und beratungsfreiem Geschäft. Wann gilt ein Bestand noch als Beraten und wann gilt er als nicht mehr als Beraten? In diesem Zusammenhang sind Abgrenzungsprobleme und Schwierigkeiten mit der Aufsicht vorprogrammiert.
Das gilt auch für das Thema Umsatzsteuer, weil für die Dienstleistung Anlageberatung Umsatzsteuer fällig wird, während für reine Vermittlungsprovisionen Umsatzsteuer nicht entrichtet werden muss. Spannende Diskussionen mit den Finanzbehörden sind daher zu erwarten.
Nach dem Vorschlag soll nur noch eine Bagatellgrenze von 100 Euro pro Jahr für die sogenannten geringwertigen nicht monetären Zuwendungen zulässig sein. Damit werden die strengen Maßstäbe für die nicht monetären Vorurteile noch einmal enger gezogen.
2. Product Governance
Das Thema Product Governance wird erheblich verschärft, zumindest für Produkte, die der PRIIP´s-Verordnung unterfallen, dass sind überwiegend Fonds. Für sie soll ein sogenannter „Preisbildungsprozess“ durchgeführt werden. Hersteller/Emittenten sollen alle Vertriebskosten und sonstige Gebühren ermitteln und beurteilen, ob die Gesamtkosten und Gebühren unter Berücksichtigung der Ziele und Bedürfnisse des Zielmarkts gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Dazu sollen Benchmarks verwendet werden, welche die ESMA zu sehr vielen Arten von Produktgattungen veröffentlichen soll. Um diese Benchmarks zu erstellen, sollen auch Vertriebsfirmen an ihre Aufsichtsbehörden Einzelheiten zu den Gebühren von Finanzinstrumenten, einschließlich aller Vertriebskosten und Zahlungen Dritter erfassen, ebenso wie Angaben zu den Merkmalen der Finanzinstrumente, vor allem zu ihren Wertentwicklungen und ihren Risikoniveaus. Diese Daten sollen an die nationalen Aufsichtsbehörden gemeldet werden, die diese wiederum an die ESMA weitergeben sollen. Die ESMA soll dann aus diesen Daten Benchmarks zu Gebühren und Kosten entwickeln. Sie veröffentlicht dazu Empfehlungen zu jeweils ähnlichen Finanzinstrumenten, die ähnlicher Charakteristika aufweisen. Dadurch sollen Finanzinstrumente identifiziert werden können, deren Kosten und Wertentwicklung erheblich vom Durchschnitt abweichen.
In der Anlageberatung werden die Institute verpflichtet, die kosteneffizientesten Finanzinstrumente zu empfehlen, zumindest aus jenen Finanzinstrumenten, die ähnliche Merkmale aufweisen. Zusätzlich sollen dem Kunden auch immer Produkte empfohlen werden, die keine Zusatzfeatures aufweisen und die ebenso für ihn geeignet sind, damit nicht über die Erfindung von Zusatzmerkmalen und Features eine Rechtfertigung von für den Kunden nicht notwendigen Kosten stattfinden kann.
Verschärfungen gibt es aber nicht nur für die Anlageberatung, sondern auch für die Anlagevermittlung. Für diese mussten bis heute nur Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden abgefragt werden. Dann musste geprüft werden, ob der Kunde mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen die Risiken der georderten Finanzinstrumente einschätzen kann. Der Vorschlag enthält die Erweiterung, dass auch in der Anlagevermittlung Angaben des Privatkunden zu seiner Fähigkeit, Verluste ganz oder teilweise zu tragen sowie zu seiner Risikotoleranz eingeholt werden müssen, um zu prüfen, ob die Finanzinstrumente für den Kunden geeignet sind. Das würde eine deutliche Erweiterung des Angemessenheitstests bedeuten, vom Kunden wären für das beratungsfreie Geschäft Zusatzdaten einzuholen und ein deutlich erweiterter Angemessenheitstest durchzuführen.
3. Anforderungen an die Weiterbildungen der Anlageberatung
Für Mitarbeiter in der Anlageberatung wird die Anforderung aufgestellt, mindestens 15 Stunden an beruflicher Fort- und Weiterbildung pro Jahr zu absolvieren und den Aufsichtsbehörden nachzuweisen.
4. Inkrafttreten
Den Mitgliedstaaten wird ein Zeitraum von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie für die Umsetzung eingeräumt. Eine Bestandsschutzregel für Altbestände und deren Verprovisionierung ist nicht vorgesehen.
Da bereits im nächsten Jahr die Europawahl stattfindet, ist damit zu rechnen, dass sich die EU-Kommission bemühen wird, die Richtlinie noch bis zur Europawahl durchs EU-Parlament zu bringen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen im Trilog-Verfahren auch zustimmen. Nach dieser Zustimmung würde dann die Umsetzungsfrist von 18 Monaten beginnen.
Über den Prozess halte ich sie selbstverständlich gerne auf dem Laufenden.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt