Die EU-Kommission hat ihre Pläne zum digitalen Euro vorgestellt. Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen, ein großer Wurf ist es nicht. Interessant ist vor allem die Vorgeschichte, weil sie ein Licht auf das Machtgefüge der Europäischen Institutionen wirft.
Schon seit längerem bereitet die Europäische Zentralbank einen digitalen Euro vor. Die Mitgliedstaaten haben das Vorhaben nicht nur mit Sympathie begleitet. Kritisch beäugten sie, ob sich die Europäische Zentralbank eine Kompetenz anmaßt, die ihr laut den Europäischen Verträgen nicht zusteht. Laut diesen ist die Europäische Zentralbank lediglich für die Stabilität der Währung zuständig. Schon bei den Anleihekäufen war strittig, ob die EZB nicht ihr Mandat überschreitet und statt Geldpolitik auch Wirtschaftspolitik betreibt. Auch jetzt wollten sich die Mitgliedstaaten nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und haben im Januar durch die EU-Finanzminister einen Beschluss gefasst, wonach die Einführung eines digitalen Euro und die Frage, ob dieser ein gesetzliches Zahlungsmittel sein kann, von demokratisch legitimierten Akteuren gefällt werden muss und nicht von der EZB, die durch ihre Unabhängigkeit einer demokratischen Mitwirkung entzogen ist. Damit ist auch ein kleiner Machtkampf zwischen den Mitgliedstaaten und der EZB entschieden und klar gestellt, dass die EZB nicht alles an sich reißen kann, was irgendwie mit Geld zu tun hat, sondern auf ihren Aufgabenkatalog aus den Europäischen Verträgen beschränkt bleibt.
Das Aufkeimen der Digitalwährungen fordert die Notenbanken schon seit längerem heraus. Solang die Volumen marginal sind, spielt das für die Funktion der Notenbanken keine Rolle. Sobald aber Digitalwährungen die Aufgaben von Zahlungsmitteln übernehmen, ist die Hoheit der Notenbanken über das Geld bedroht. Zigaretten und Gold konnten als Ersatzwährungen nie die Funktionen der Notenbanken als Hüter von Währungen bedrohen. Bei Digitalwährungen ist das anders. Ihre Fungibilität ist viel höher, die technischen Möglichkeiten beinahe unbegrenzt und deswegen fühlen sich Notenbanken herausgefordert. Vor allem die großen Tech-Giganten hätten die Möglichkeit, mit ihren Plattformen Ersatzwährungen zu schaffen. Deswegen hat das Projekt LIBRA von Facebook Alarm ausgelöst und wurde schnell auf informellem Wege wieder beerdigt. Es ist aber relativ klar, sollten sich Appel, Google und Meta/Facebook zusammen auf eine Währung einigen können, d.h. auf ein Zahlungsmittel, das mehr oder weniger auf allen Handys dieser Welt funktioniert, könnten sich die Funktionen des Dollar und des Euro als Zahlungsmittel bald erübrigen.
Um mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten, bastelt die EZB seit längerem an Ideen für einen digitalen Euro. Der aktuelle Vorschlag dürfte aber viele enttäuschen. Von der Idee, wie bei Bitcoins die Blockchaine-Technologie einzusetzen, ist man wieder abgekommen. Der technische Aufwand scheint zu groß.
Ebenso wenig sollen die EU-Bürger ein Konto bei der EZB mit digitalen Euros erhalten. Das wäre natürlich eine charmante Idee gewesen. Ein Konto für alle bei der Notenbank schien als zu große Bedrohung für die Geschäftsmodelle von Banken. Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Kampf der Versicherungen während der Finanzmarktkrise, auch Konten bei der Notenbank zu erhalten, um dort Geld sicher parken zu können. Das ist auf große Kritik gestoßen und letztlich sind die Versicherungen damit gescheitert. Banken sollten für das Parken von Geld nicht umgangen werden können. Vielmehr noch will man einen Bank-Run im Krisenfall vermeiden. Die Erinnerungen an die Silicon-Valley Bank und die Credit Suisse sind noch zu frisch. Würde jedem EU-Bürger ein EZB-Konto für den digitalen Euro angeboten, wäre klar, was in der Krise passiert. Die Bürger würden massenweise ihr Geld bei den Geschäftsbanken abziehen und in digitale Euros bei der EZB anlegen.
Aus diesem Grund wird es zu einer Begrenzung kommen, 3.000,00 € stehen im Raum, nur soweit soll die Zuteilung des digitalen Euro für jedermann möglich sein.
Werfen wir einen Blick in den Vorschlag der EU-Kommission:
Durch die Verordnung zur Einführung des digitalen Euro soll der digitale Euro eingeführt und als gesetzliches Zahlungsmittel festgelegt werden. Der digitale Euro wird als digitale Form des Euro, die natürlichen und juristischen Personen zur Verfügung stehen soll, definiert.
Der EZB wird das ausschließliche Recht eingeräumt, die Ausgabe des digitalen Euro zu genehmigen und ihn auszugeben. Der digitale Euro wird als unmittelbare Verbindlichkeit der EZB gegenüber den Nutzern des digitalen Euro definiert. Damit wird er den Banknoten und Geldmünzen gleichgestellt.
Der Status des digitalen Euro hat zur Folge, dass ihn Zahlungsempfänger als gesetzliches Zahlungsmittel annehmen müssen und nicht ablehnen dürfen und dass er zur Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung genutzt werden kann. Er entspricht mit vollem Nennwert der üblichen Geldschuld in Euro. Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Geschäftspraktiken, die den digitalen Euro vom Zahlungsverkehr ausschließen, werden für unwirksam erklärt. Der digitale Euro soll jederzeit mit Euro-Banknoten und Euro-Münzen zum Nennwert konvertierbar sein.
Um die Geldpolitik der EZB nicht zu behindern, und um zur Stabilität des Finanzsystems beizutragen, wird die EZB ermächtigt, Begrenzungen für die Verwendung des digitalen Euro festzulegen. Alle Anbieter von kontoführenden Zahlungsdiensten werden verpflichtet, diese Beschränkungen anzuwenden. Dadurch wird die Höhe der möglichen Kundeneinlagen in digitalen Euro beschränkt, um die Funktionen von Geschäftsbanken nicht einzuschränken und einen Bank-Run hin zu digitalen Euros zu vermeiden.
Um aber auch die Nutzung des digitalen Euro nicht leer laufen zu lassen, wird die EZB ermächtigt, Gebühren für die Nutzung des digitalen Euro festzulegen und Kostenrahmen für solche Gebühren festzulegen.
Die Verteilung und der Vertrieb des digitalen Euro an Bürger außerhalb des Euroraums wird eingeschränkt. An Bürger aus Drittstaaten darf der digitale Euro nur zur Verfügung gestellt werden, wenn ihre Notenbanken ihrerseits detaillierte Vereinbarungen mit der EZB unterzeichnet haben.
Der Vorschlag enthält auch Regelungen für die Funktionalitäten des digitalen Euro.
Die Nutzungs- und Servicefunktionen sollen einfach und leicht zu bedienen sein, auch für Menschen mit Behinderungen. Zur Nutzung des digitalen Euro sollen die Kunden nicht von ihren Instituten verpflichtet werden, zusätzliche nicht-digitale Zahlungskonten zu eröffnen und zu unterhalten oder andere nicht digitale Euro-Produkte zu erwerden.
Der digitale Euro soll sowohl online als auch offline funktionieren, d.h. auch Offline-Zahlungstransaktionen sollen möglich sein. Digitale Euros, die online oder offline gehalten werden, sollen von Kunden untereinander zum Nennwert getauscht werden können. Online- und Offline-Zahlungstransaktionen in digitalen Euro sollen sofort abgewickelt werden. Bei Offline-Zahlungstransaktionen in digitalen Euro soll das Settlement erfolgen, sobald die Bestände in den lokalen Speichermedien des Zahlers und des Zahlungsempfängers wieder aktualisiert werden, d.h. sobald er wieder online ist.
Front-End-Dienste im digitalen Euro sollen mit der geplanten Europäischen Geldbörse für digitale Identitäten kompatibel und in diese integriert sein.
Zahlungsdienstleister, die den digitalen Euro vertreiben, sollen sowohl ihre eigenen Front-End-Dienste als auch die von der EZB entwickelten Front-End-Dienste anbieten. Damit soll ein Mindestmaß an Zahlungsservices für die Kunden in digitalen Euro gewährleistet werden.
Die Interoperabilität von digitalen Euro-Zahlungskonten soll gewährleistet werden, d.h. auf Wunsch des Kunden soll unter derselben Kontonummer ein Wechsel des digitalen Euro-Zahlungskontos auf einen anderen Dienstleister möglich sein.
Festgeschrieben wird auch die Technologie-Neutralität, der digitale Euro soll auf allen gängigen mobilen Geräten funktionieren.
Damit wird klar, dass der digitale Euro vor allem auch ein riesiges Technologie-Projekt wird und für Banken zu einer enormen technischen Herausforderung wird. Alle Zahlungsdienstleister stehen vor einer technischen Herausforderung, um Schnittstellen, Interkompatibilitäten und Technologie-Neutralität zu gewährleisten.
Der digitale Euro wird daher nicht zu einem Konto für alle führen, schon gar nicht zu einem Zentralbankkonto für alle. Er wird beschränkt sein und auch nicht Blockchain-Technologie nutzen. Das Ergebnis ist daher sehr beschränkt. Im Moment ist nicht erkennbar, was der digitale Euro können soll, was nicht bis jetzt auch schon von Banken und Zahlungsdienstleistern angeboten wird.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt