Große Skandale der letzten Jahre sind oft durch Whistleblower öffentlich bekannt geworden. Seit Julian Assange und Edward Snowden sind sie in aller Munde. Ihre Veröffentlichungen haben Großmächte in Schwierigkeiten gebracht, internationale Verwicklungen hervorgerufen aber auch vielen Menschen die Augen geöffnet. Die einen brandmarken Whistleblower als Verräter, für die anderen sind sie Helden, wie neue Robin Hoods. Ob man sie nun mag oder nicht, wichtige Erkenntnisse haben sie uns in jedem Fall geliefert. Für die Strafverfolgung sind sie inzwischen unverzichtbar, man erinnere sich nur an Bradley Birkenfeld und die Auswirkungen für Schweizer Banken. Für die Strafverfolgung und Aufdeckung von Unternehmensskandalen ist inzwischen allen Strafverfolgern klar, dass man mit einem Insider am weitesten kommt. Das können Beschuldigte sein, die auspacken und sich als Kronzeugen zur Verfügung stellen oder eben Whistleblower. Bei dem Kronzeugen ist aber die Hürde, dass erst einmal Erkenntnisse vorliegen müssen und dann - etwas unschön und rechtsstaatlich bedenklich - jemand so in die Enge getrieben wird, dass er sich als Kronzeuge zur Verfügung stellt. Das erfordert schon einmal einen gewissen Aufwand. Deswegen setzen die Behörden zunehmend auf Whistleblower, die, ohne beschuldigt zu sein, ihre internen Kenntnisse zur Verfügung sollen.
Seit dem 02.07.2023 ist in Deutschland das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen, das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz, in Kraft. Für Wertpapierinstitute ist das Ganze nicht neu, weil bereits seit Inkrafttreten des Wertpapierinstitutsgesetzes für sie nach § 13 WpIG die Verpflichtung besteht, ein Verfahren einzurichten, das es Mitarbeitern unter Wahrung der Vertraulichkeit ermöglicht, Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmung und strafbare Handlungen zu melden.
Diese Vorgabe wird durch das Hinweisgeberschutzgesetz deutlich erweitert und modifiziert. Nach dem Hinweisgeberschutzgesetz sollen nicht nur aufsichtsrechtliche Bestimmungen, sondern fast alles gemeldet werden können. Das geht von der Verletzung von Strafvorschriften über Aufsichtsvorgaben, Umweltschutzvorschriften, Sicherheitsvorgaben, Verletzung von Verbraucherrechten und Verbraucherschutzvorgaben, Datenschutzvorschriften, Aktionärsrechten bis hin zu Buchführungsvorschriften und Steuervorschriften, fast alles ist meldefähig.
Das Herzstück des Gesetzes findet sich in Vertraulichkeitsvorgaben für die Personen, die Hinweise geben. Die Meldestelle, an welche die Meldung erfolgt, muss die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person wahren. Die Verpflichtung zur Vertraulichkeit gilt auch für die Personen, die Gegenstand der Meldung sind und die sonstigen in der Meldung genannten Personen. Das gilt aber nur für die Verstöße, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Deswegen ist es wichtig, unternehmensintern zu kommunizieren, wie weit der Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes geht, damit diejenigen, die eine Meldung erstatten, auch wissen, wie weit die Vertraulichkeit geht.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, entweder eine externe Meldestelle vorzusehen oder eine interne. Externe Meldestellen des Bundes sind z.B. des Bundesamt für Justiz, das Bundeskartellamt, aber auch die BaFin. Für die Zwecke eines Wertpapierinstituts wird sich aber eher eine interne Meldestelle anbieten. Als interne Meldestelle bietet sich wegen seiner Sachkunde der Compliance-Officer an, das kann aber auch ein Geschäftsleitungsmitglied sein, auch ein externer Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer.
Die interne Meldestelle hat dafür zu sorgen, dass für Hinweisgeber Meldekanäle zur Verfügung stehen, das Meldeverfahren durchgeführt wird und Folgemaßnahmen ergriffen werden. Meldungen müssen in mündlicher oder in Textform möglich sein. In Betracht kommen daher E-Mails, die Post, ein interner Briefkasten aber auch eine Telefonnummer oder Arten der Sprachübermittlung, wie z.B. per Whatsapp. Die interne Meldestelle ist dann verpflichtet, das Verfahren für die Meldungen durchzuführen, d.h. der hinweisgebenden Person den Eingang der Meldung spätestens innerhalb von sieben Tagen zu bestätigen, zu prüfen ob die Meldung in den Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes fällt, mit dem Meldenden den Kontakt zu halten, die Stichhaltigkeit der Meldung zu prüfen, gegebenenfalls weitere Informationen anzufordern und dann sogenannte Folgemaßnahmen zu ergreifen. Folgemaßnahmen können eine interne Untersuchung sein, die Verweisung der Meldung an andere zuständige Stellen, das Verfahren aus Mangel an Beweisen oder anderen Gründen abzuschließen oder abzugeben an die intern zuständige Stelle oder eine externe Behörde.
Wichtig ist, dass diese Folgemaßnahmen nicht die normalen Zuständigkeiten im Unternehmen ersetzen. Das heißt, die Geschäftsleitung bleibt zuständig, ebenso Compliance oder die Revision.
Wir empfehlen, eine interne Meldestelle vorzusehen, das ist auch der vom Gesetz präferierte Fall. Die Regelungen zu der internen Meldestelle sollten auch in das Organisationshandbuch des Instituts aufgenommen werden.
Bitte beachten Sie, dass für Wertpapierinstitute generell die Verpflichtung besteht, das Gesetz umzusetzen. Für andere Unternehmen gilt das erst ab 50 Beschäftigten. Das Gesetz gilt eigentlich seit 02.07.2023. Bußgelder für Nichtumsetzung drohen ab dem 01.12.2023.
Gerne stehe ich Ihnen für Rückfragen zur Verfügung.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt