Die Nachhaltigkeitswelle rollt unerbittlich durch die Branche. Kaum ein Fonds, Zertifikat oder anderes Portfolio das nicht in irgendeiner Weise mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht wird. Nachhaltigkeit scheint ein Verkaufsschlager zu werden. Seit August müssen die Kunden zu ihren sogenannten Nachhaltigkeitspräferenzen gefragt werden. Damit entsteht natürlich die Notwendigkeit, dem Kunden auch entsprechende Produkte für diese Nachhaltigkeitspräferenzen anzubieten. Deswegen werden im Moment Fonds, Zertifikate, Portfolios und Versicherungsprodukte auch entsprechend ihrer Nachhaltigkeitswirkung umbenannt und betitelt. Der Kunde soll auch schon aus dem Namen ersehen können, ob er ein nachhaltiges Produkt erwirbt. Doch Achtung: Die EU plant Aussagen zur Nachhaltigkeit, Klimafreundlichkeit und andere Umweltaussagen besser zu schützen, damit Verbraucher nicht in die Irre geführt werden. Dazu wird in Deutschland das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb deutlich verschärft. Ziel ist, dass Unternehmer die Verbraucher hinsichtlich ökologischer und sozialer Auswirkungen von Produkten und Dienstleistungen nicht in die Irre führen. Eine sogenannte “Umweltaussage“ über eine künftige Umweltleistung soll nur getroffen werden dürfen, wenn sie klare Verpflichtungen enthält. Auch Nachhaltigkeitssiegel sollen nur noch verwendet werden dürfen, wenn sie auf einem anerkannten Zertifizierungssystem beruhen oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurden.
Verboten werden allgemeine Umweltaussagen bei der Vermarktung an Verbraucher, wenn diese Umweltaussage nicht nachgewiesen werden kann oder auch wenn sie nur zu einem gesamten Produkt gemacht wird, aber nur auf einen Teil des Produkts oder der Dienstleitung zutrifft.
Eine Umweltaussage ist eine Aussage oder Darstellung durch Text, Bilder, grafische Elemente oder Symbole, auch durch Etiketten, Markennamen, Firmennamen oder Produktbezeichnungen, in der ausdrücklich oder stillschweigend angegeben wird, dass ein Produkt eine positive oder keine Auswirkung auf die Umwelt hat oder weniger schädlich für die Umwelt ist als alle Produkte oder dass deren Auswirkung im Laufe der Zeit verbessert wurde.
Durch die Verschärfung sollen Unternehmen davon abgehalten werden, Verbraucher hinsichtlich ökologischer und sozialer Auswirkungen zu täuschen, indem die ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Produktes unzutreffend dargestellt werden. Das Gleiche gilt von Aussagen über soziale Nachhaltigkeit von Produkten, z.B. über Arbeitsbedingungen, Wohltätigkeitsbeiträge oder den Tierschutz.
Die EU bemängelt, dass sich Umweltaussagen, vor allem klimabezogene Aussagen, auf zukünftige Leistungen, z.B. auf den Übergang zu CO2- oder Klimaneutralität beziehen, und die Erreichung dieses Ziels bis zu einem bestimmten Datum in Aussicht stellen. Dadurch wird bei dem Verbraucher der Eindruck erweckt, durch den Kauf des Produkts zu einer CO2-ärmeren Welt beizutragen. Durch die Neuregelung soll sichergestellt werden, dass diese Aussagen lauter und glaubwürdig sind. Sie werden nach einer Einzelfallbewertung verboten, wenn sie nicht vom Verwender durch klar vorgegebene objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele gestützt werden. Dazu soll auch ein unabhängiges Überwachungssystem dienen, um den Fortschritt hinsichtlich der versprochenen Zielerreichung zu überwachen.
Die EU knüpft sich aber auch allgemeine Umweltaussagen ohne eine besonders anerkannte und hervorragende Umweltleistung vor. Allgemeine Umweltaussagen sollen verboten werden, wenn tatsächlich keine hervorragende Umweltleistung dahintersteckt oder wenn die Spezifizierung der Aussage an keiner Stelle erfolgt. Das betrifft Aussagen wie: „umweltfreundlich“, „umweltschonend“, „öko“, „grün“, „naturfreundlich“, „ökologisch“, „umweltgerecht“, „klimafreundlich“, „umweltverträglich“, „CO2-freundlich“, „CO2-neutral“, „CO2-positiv“, „klimaneutral“, „energieeffizient“ „biologisch abbaubar“, „biobasiert“ oder ähnliche Aussagen, sowie weiter gefasste Aussagen wie „bewusst“ oder „verantwortungsbewusst“, mit denen eine hervorragende Umweltleistung suggeriert wird oder die diesen Eindruck entstehen lassen.
Ich bitte Sie daher, größte Vorsicht walten zu lassen, wenn Portfolios, Wertpapiere oder Dienstleistungen mit besonderen ökologischen Etiketten versehen werden. Schon der Begriff “Nachhaltigkeitsportfolio“, “Verantwortungsportfolio“, “Sustainable Investment“ oder „ESG-kompatibel“ können darunterfallen. Solche Aussagen müssen immer einem Wahrheitsbeweis zugänglich sein und es muss dem Anleger eine Systematik dargestellt werden, warum die Aussage zutreffend ist.
Bitte berücksichtigen Sie vor allem auch die strengen Folgen bei Verstößen. Die Richtlinie muss in Deutschland in das Gesetzt gegen den unlauteren Wettbewerb aufgenommen werden. Verstöße gegen diese gesetzliche Vorgabe können abgemahnt werden. Zur Abmahnung sind nicht nur Behörden, sondern zumeist auch Wettbewerber, Verbraucherverbände und Behörden berechtigt. Es kann also schnell teuer werden. Bei klaren Verstößen werden professionelle Abmahner auf den Plan gerufen, die dann Unterlassungserklärungen mit Bußgeldandrohung und Rechnungen verschicken. Ein paar tausend Euro sind da schnell zusammengekommen.
Die Richtlinie muss nun zunächst verabschiedet werden und dann vom Bundestag umgesetzt werden. Ich informiere Sie, sobald es soweit ist. Bitte berücksichtigen Sie die Anforderungen aber schon jetzt, weil ansonsten rechtswidrige Marketinginformationen, Broschüren, Prospekte und Internetauftritte teuer revidiert werden müssen.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt