Im ESG-Thema werden nun auch die Pflöcke für das S eingeschlagen. Für das E, nämlich die Ökologie, ist die EU schon relativ weit und hat die Taxonomieverordnung zur Definition von wirtschaftlichen Tätigkeiten, die als ökologisch gelten, bereits verabschiedet. Was noch aussteht ist eine Taxonomie für die Fragen der sozialen Gerechtigkeit und Good Governance. Dazu hat die „Platform on Sustainable Finance“ Ende Februar einen Abschlussbericht vorgelegt.
Die soziale Taxonomie folgt der Systematik der ökologischen Taxonomie. Es werden soziale Ziele definiert. Wirtschaftliche Tätigkeiten dürfen sich dann als soziale Tätigkeit bezeichnen, wenn sie zur Erreichung dieser Ziele einen wesentlichen Beitrag leisten und auch die anderen Ziele nicht wesentlich beeinträchtigen.
Die verfolgten Ziele lassen sich in drei Obergruppen einteilen:
- nachhaltige Arbeitsverhältnisse
- adäquate Lebensverhältnisse und Wohlstand für Verbraucher
- inklusive und nachhaltige Gemeinden und Gemeinschaften.
Das klingt noch etwas theoretisch, wird aber in folgende konkretere Unterziele unterteilt:
- Stärkung des sozialen Dialogs durch Förderung von Gewerkschaften, Kollektivverhandlungen zur Lohnverhandlung (dazu wird ein EU weites Regelwerk für die Beziehung von Arbeitgebern und -nehmern angestrebt),
- Gerechte Löhne, die Arbeitnehmern ein nachhaltiges Auskommen ermöglichen,
- Vermeidung prekärer Arbeitsverhältnisse,
- gesunde und sichere Arbeitsverhältnisse,
- lebenslange Qualifikationsmaßnahmen für Arbeitnehmer
- soziale Absicherung,
- Beendigung von Zwangsarbeit,
- effektive Maßnahmen gegen Kinderarbeit,
- gleiche Arbeitsbedingungen für Männer und Frauen,
- Vermeidung von ungerechtfertigten Bezahlungsunterschieden,
- gerechte Einkommen für Landwirte,
- Geltung obiger Prinzipien über die gesamte Wertschöpfungskette.
Für die Sicherung eines adäquaten Lebensstandards bedeutet das die Verfolgung folgender Ziele:
- gesunde und sichere Produkte und Dienstleistungen,
- langlebiges und reparaturfähiges Produktdesign,
- Einhaltung von Datenschutzregeln und Respekt für die Privatsphäre,
- verantwortliche Werbemaßnahmen,
- Sicherstellung einer adäquaten Gesundheitsvorsorge,
- Zugang zu gesunder und wertvoller Nahrung,
- verbesserter Zugang zu gesundem Trinkwasser,
- verbesserter Zugang zu gesunden Wohnverhältnissen,
- verbesserter Zugang zu Bildung und Weiterqualifikation.
Nachhaltigkeitsziele für Kommunen und die Gesellschaft an sich sind:
- verbesserter Zugang zu grundlegender Infrastruktur wie Transport, Telekommunikation (einschließlich Internet), Finanzdienstleistungen und Elektrizität,
- Fürsorge für Kinder,
- Inklusion für Benachteiligte,
- Faire Arbeitsbedingungen und verbesserte Chancen auf gerechte, nachhaltige und digitale Transformation von Arbeitsverhältnissen durch Weiterqualifikation von Arbeitsnehmern,
- Erhalt von Arbeitsplätzen und Beschäftigung lokaler Arbeiter und Förderung örtlicher Zulieferer,
- Förderung der gleichen Chancen und Gerechtigkeit und Vermeidung ungleicher Bezahlung in Kommunen,
- verbesserte Arbeitsbedingungen für Frauen, z.B. durch Förderung von Mobilität,
- Förderung von dezentralen Entscheidungen auf lokaler Ebene,
- Vermeidung von negativen Auswirkungen auf Gemeinden durch wirtschaftliche Tätigkeiten (z.B. durch Landverbrauch, Bedrohung kultureller und religiöser Stätten),
- Einbindung von Gemeinden in wirtschaftliche Entscheidungsprozesse,
- Berücksichtigung von Menschenrechten betroffener Gemeinden bei der Durchführung von Due Diligence Maßnahmen, vor allem Berücksichtigung der Bedürfnisse indigener Bevölkerungsgruppen bei der Umsetzung von Projekten.
Als sozial gelten wirtschaftliche Tätigkeiten bei Umsetzung dieser Zielvorgaben, wenn sie die oben genannten Ziele wesentlich fördern und andere oben genannten Aspekte nicht wesentlich beeinträchtigen.
Die Schwierigkeit einer sozialen Taxonomie liegt in der Messung der Ziele. Bei ökologischen Zielen sind numerische Grenzwerte, z.B. für Schadstoffausstoß, oder die Vorgabe der Verwendung bestimmter Technologien relativ einfach zu beschreiben. Bei den sozialen Zielen wird das deutlich schwieriger. Deswegen rechne ich auch noch mit einer längeren Umsetzungsperiode bis erste Verordnungsentwürfe der EU-Kommission vorliegen. Wo die Reise hingeht lässt sich aber schon relativ gut erahnen.
Ich halte Sie auf dem Laufenden.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt