Seit 28. Februar 2022 gilt der sogenannte MiFID-QUICK-FIX. Der europäische Gesetzgeber hat die Coronakrise zum Anlass genommen, die MiFID II Regelungen kritisch zur würdigen und hat ein paar Änderungen an der Richtlinie beschlossen. In erster Linie soll der Kontaktvermeidung mit dem Kunden Rechnung getragen werden und es wird die Möglichkeit eingeräumt, sehr viel mehr Informationen elektronisch zu übermitteln und nicht in Papierform an den Kunden zu übergeben. Auch ein paar bürokratische Übertreibungen wurden abgebaut, wenn gleich der große Wurf ausgeblieben ist.
Die wichtigste Erleichterung ist die Ersetzung der Papierform von Kundeninformationen durch die elektronische Form. Alle nach der MiFID II Richtlinie dem Kunden zur Verfügung zu stellenden Informationen dürfen ab jetzt in elektronischer Form bereitgestellt werden. Es wird sogar eine Definition eingeführt, was unter elektronischer Form zu verstehen ist, nämlich ein dauerhaftes Medium, das kein Papier ist. Dauerhaftes Medium bezeichnet dauerhafte Datenträger, die der Kunde speichern und ausdrucken kann. Klassisch dafür ist die E-Mail. Damit wird es möglich, dem Kunden die Informationen über das Institut, Ex-ante Kosteninformation, Best Execution Policy, Conflict of Interest Policy und die Provisionsoffenlegung per E-Mail zur Verfügung zu stellen. Das soll nur dann nicht gelten, wenn der Kunde ausdrücklich darum bittet, ihm die Informationen in Papierform zur Verfügung zu stellen, dann müssen die Informationen kostenlos auf Papier bereitgestellt werden. Darauf ist der Kunde aufmerksam zu machen.
Der Gesetzgeber hat sogar an eine Regelung für Bestandskunden gedacht. Bestandskunden sollen darauf hingewiesen werden, dass in Zukunft alle Informationen in elektronischer Form versandt werden. Diese erste Mitteilung soll acht Wochen vor dem ersten Versand in elektronischer Form erfolgen. Bestandskunden müssen informiert werden, dass sie ein Wahlrecht haben, die Informationen entweder weiterhin in Papierform oder künftig in elektronischer Form zu erhalten. Die Kunden sollen darüber aufgeklärt werden, dass ein automatischer Wechsel zur elektronischen Form stattfinden wird, wenn die Kunden nicht innerhalb von 8 Wochen mitteilen, dass sie die Informationen weiterhin in Papierform erhalten möchten. Bestandskunden, welche die MiFID Informationen bereits in elektronischer Form erhalten, müssen nicht noch einmal extra informiert werden.
Leider haben sich die Hoffnungen auf deutliche Erleichterungen hinsichtlich der Verpflichtungen aus dem Thema Product Governance nicht erfüllt. Erleichterungen gibt es nur für Anleihen, in die keine Derivate eingebettet sind (außer einer Make-Whole-Klausel) oder wenn die Wertpapiere ausschließlich an geeignete Gegenparteien vermarktet werden. Eigentlich bestand die Hoffnung, dass es auch für Standardfonds Ausnahmen von Product Governance gibt, soweit wollte der europäische Gesetzgeber aber nicht gehen. Die Hoffnung stirbt aber zuletzt, vielleicht gibt es bei der anstehenden MiFID II Überarbeitung doch noch die ein oder andere Erleichterung. Damit bleibt uns zunächst das Zielmarktthema erhalten, nur eben bei Anleihen und bei Geschäften mit geeigneten Gegenparteien kann darauf verzichtet werden.
Die Erleichterung für Finanzanalysen ist kaum der Rede wert. Sie erinnern sich vielleicht, der Erhalt von Analysen wurde im Rahmen von MiFID II als Zuwendung eingestuft. Diese Einstufung von Analysen als Zuwendungen wird etwas aufgeweicht, die Voraussetzungen sind aber wieder so kompliziert geworden, dass von einer richtigen Erleichterung nicht mehr gesprochen werden kann.
Etwas konkreter werden die Vorschriften für die sogenannte Kosten-Nutzen-Analyse im Rahmen der Umschichtung. Werden im Rahmen der Anlageberatung oder Portfolioverwaltung Umschichtungen vorgenommen, müssen auf Basis der bestehenden Investitionen der Kunden Kosten und Nutzen analysiert werden. Von Umschichtungen geht der europäische Gesetzgeber beim Verkauf eines Finanzinstruments und Kauf eines anderen Finanzinstruments aus, bzw. wenn Rechte aus Finanzinstrumenten geltend gemacht werden (z.B. Umwandlungs- oder Tauschrechte aus Wandelanleihen).
Wird die Umschichtung im Rahmen einer Anlageberatung empfohlen, müssen die Kunden darüber informiert werden, ob die Vorteile der Umschichtung die im Rahmen der Umschichtung anfallenden Kosten überwiegen oder nicht.
Die Ex-ante-Informationspflicht wurde zwar für professionelle Kunden eingeschränkt, nicht aber in der Anlageberatung und der Portfolioberatung. Für diese Dienstleistungen gilt daher nach wie vor auch gegenüber professionellen Kunden die Ex-ante-Informationspflicht, vor allem hinsichtlich der Ex-ante-Kosteninformation.
Das regelmäßige Reporting soll geeigneten Gegenparteien nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, dass gilt auch für professionelle Kunden. Diesen muss aber die Möglichkeit eingeräumt werden, sich nach wie vor für den Erhalt der regelmäßigen Reportings zu entscheiden.
Für geeignete Gegenparteien und die Geschäfte mit diesen werden auch noch einige Erleichterungen hinsichtlich der Informationspflichten eingeführt.
Alles in allem etwas enttäuschend, im Sinne einer Entbürokratisierung hätte man noch deutlichere Schritte unternehmen können. Immerhin nimmt sich die EU-Kommission vor, einige MiFID II Vorschriften noch einmal zu beleuchten, vielleicht wirft man dann bei der geplanten MiFID II Überarbeitung noch den ein oder anderen Ballast über Bord.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt