Als Reaktion auf den Angriff der russischen Streitkräfte in der Ukraine hat die EU ihre Drohung wahrgemacht und erhebliche Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland beschlossen. Diese Sanktionen betreffen direkt natürliche und juristische Personen, die im Einzelnen aufgezählt sind, Maßnahmen mit Bezug zum Finanzsektor und Exportrestriktionen. Sie basieren im Wesentlichen auf Verordnungen der EU, die seit Ausbruch der Kämpfe aktualisiert und erheblich verschärft wurden.
Die Sanktionslisten finden Sie in den Durchführungsverordnungen 2022/332, 2022/261 und 2022/260. In diesen Verordnungen werden in Anhängen die Personen genannt, die von den Sanktionen betroffen sind. Das sind in erster Linie Beamte und Mitglieder der Duma, die mit großer Mehrheit den Angriff gebilligt haben. Ebenso genannt sind Personen und Organisationen, die für die Gefährdung der Souveränität der Ukraine verantwortlich gemacht werden. Darunter finden sich enge Verbündete von Präsident Putin, der russischen Regierung und Oligarchen sowie Mitglieder der russischen Regierung, z. B. der Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergei Schoigu. Genannt werden dort auch Banken und Unternehmen, die wichtige Funktionen in der russischen Volkswirtschaft einnehmen. Das umfasst gegenwärtig ca. 877 Einzelpersonen und 62 juristische Personen. Bezüglich dieser Personen müssen Gelder, Besitz und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden. Das bedeutet die Verhinderung jeglicher Form der Bewegung, des Transfers, der Veränderung und der Verwendung von Geldern sowie des Zugangs zu ihnen oder ihres Einsatzes. Es besteht ein Bereitstellungs- oder Zurverfügungstellungsverbot, d. h. Finanzmittel dürfen diesen Adressaten nicht mehr zur Verfügung gestellt werden. Banken müssen daher Prozesse vorhalten, um die betroffenen Kunden zu identifizieren und dann das Einfrieren der entsprechenden Finanzmittel vornehmen zu können.
Durch die Verordnung 2022/345 wird für SWIFT ein Verbot formuliert, Nachrichtenübermittlungen für den Zahlungsverkehr und für den Austausch von Finanzdaten für bestimmte russische Banken vorzunehmen. Das sind Bank Otkritie, Novikombank, Promsvyazbank, Rossiya Bank, der Sovcombank, VNESHECONOMBANK (VEB) und der VTB BANK.
Sanktioniert sind auch Transaktionen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Reserven und Vermögenswerten der Zentralbank der Russischen Föderation, einschließlich Transaktionen mit juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die im Namen oder auf Anweisung der Zentralbank der Russischen Föderation handeln.
Zudem existieren Sanktionen nach den Verordnungen 833/2014, 2022/262 und 2022/328 in Bezug auf Wertpapiere, die von Russland, seiner Regierung oder der Zentralbank Russlands emittiert wurden. Diese Wertpapiere dürfen weder unmittelbar oder mittelbar gekauft, verkauft oder in eine Wertpapierdienstleistung einbezogen werden. Diese Sanktion ist bedeutsam, weil es gegen die Sanktionen verstößt, wenn bezüglich dieser Wertpapiere eine Anlageberatung, Vermögensverwaltung oder Anlage-/Abschlussvermittlung erbracht werden würde. Für alle Banken und Wertpapierfirmen gilt daher das Gebot, Finger weg von russischen Anleihen.
Für Einlagen russischer Staatsangehöriger besteht eine Obergrenze von 100.000,00 €. Bemessungsgrundlage sind die Salden aller Konten des jeweiligen Kontoinhabers. Zu berücksichtigen sind nicht die Depotwerte. Für Banken ist die Sanktion schwierig umsetzen, weil sie alle russischen Staatsangehörigen oder in Russland ansässigen natürliche Personen und juristische Personen betrifft. Es bleibt den Banken daher nichts anderes übrig, als ein Gesamtscreening von entsprechenden Kontoverbindungen durchzuführen.
Sehr kompliziert in der Umsetzung ist das Bereitstellungsverbot von Finanzmitteln oder Finanzhilfen lt. Verordnung 833/2014 und VO 2022/328 und 428. Nach diesen Verordnungen ist es verboten, Finanzmittel und Finanzhilfen in Zusammenhang mit bestimmten Gütern und Technologien bereitzustellen. Dadurch soll Verkauf, Lieferung, Verbringung und Ausfuhr entsprechender Güter und Technologien verhindert werden. Dabei handelt es sich um Güter, die zum Dual-Use geeignet sind, das sind Güter, die sowohl friedlich als auch militärisch genutzt werden können. Es betrifft Eisen- und Stahlerzeugnisse sowie bestimmte Luxusgüter als auch Technologie-Güter, die zur Gas- und Ölförderung genutzt werden können. Insofern müsste eine Bank eigentlich prüfen, ob sie Unternehmen Finanzmittel zur Verfügung stellt, die entsprechende Güter herstellen und möglicherweise nach Russland verbringen. Da den Banken entsprechende Daten oft fehlen werden, ist es sehr aufwändig, diese Sanktion umzusetzen. Verboten wären Zuschüsse, Darlehen, Garantien, Bürgschaften, Anleihen, Akkreditive, Lieferantenkredite, Bestellerkredite, Ein- oder Ausfuhrvorauszahlungen und alle Arten von Versicherungen und Rückversicherungen, einschließlich Ausfuhrkreditversicherungen für diese Produkte.
Hinsichtlich der Finanzsanktionen ist die Bundesbank zuständig, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) für die anderen Sanktionen. Alle Verträge, die gegen die Sanktionen verstoßen, sind nichtig. Problematischer sind aber die strafrechtlichen Folgen. Verstöße gegen die Sanktionsvorschriften sind nach §§ 17 und 18 Außenwirtschaftsgesetz bei Vorsatz strafbar, bei Fahrlässigkeit liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit einem Bußgeldrahmen von bis zu 10 Mio. € geahndet werden kann.
Deswegen bitte ich Sie, sich des Themas anzunehmen. Der Ärger bei Verstoß gegen die Sanktionen dürfte gewaltig werden, von dem Reputationsschaden ganz zu schweigen.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt