Wir erleben immer wieder größere Unsicherheiten hinsichtlich des Wechsels der Wertpapierfirmen aus dem Kreditwesengesetz in das Wertpapierinstitutsgesetz. Niemand weiß genau, welche Verordnungen, Rundschreiben und Mindestanforderungen noch gelten. Lassen Sie mich deswegen die Gelegenheit nutzen, Sie mit etwas tieferer Juristerei zu quälen und etwas Licht ins Dunkel zu bringen:
Sehr viele aufsichtsrechtliche Anforderungen gründen sich auf die Organisationsvorschriften aus dem KWG, zum Beispiel § 25a KWG. In dieser zentralen Vorschrift waren Regelungen für die Organisation der Institute zusammengefasst. Auf dieser Grundlage wurden z.B. die MaRisk erlassen.
Das KWG findet aber mit Überführung der Wertpapierinstitute in den Anwendungsbereich des Wertpapierinstitutsgesetzes (WpIG) auf Wertpapierfirmen keine Anwendung mehr. Dieses Ergebnis lässt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des KWG herleiten, ist aber gemeinsamen Branchenverständnis. Nach der Begriffsdefinition aus dem KWG ist das Gesetz auf Institute im Sinne von § 1 Abs. 1 b KWG anwendbar, das sind Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass Wertpapierinstitute begrifflich auch noch Finanzdienstleistungsinstituten im Sinne des KWG sind und deswegen zum Beispiel die Institutsvergütungsverordnung oder die MaRisk weiter anwendbar sind.
Nach branchenweiter Auslegung geht aber das WpIG dem KWG als Spezialregelung vor. Da die Regelungen des KWG für Wertpapierfirmen nicht passen, wurde mit der IFR auf europäischer Ebene eine neue Regelung für die Eigenmittelunterlegung von Wertpapierfirmen geschaffen. Konsequenterweise sollten die Institute dann auch in ein neues nationales Regelwerk, nämlich das WpIG, überführt werden.
Dies lässt sich aus der Übergangsvorschrift des § 86 WpIG herleiten. Institute die bis 26. Juni 2021 eine Erlaubnis nach § 32 KWG besaßen, haben durch Gesetzesfiktion eine Erlaubnis nach § 15 WpIG per Gesetz erhalten. Die bisherige Erlaubnis nach § 32 KWG wird nach § 86 Abs. 1 Satz 2 WpIG gegenstandslos. Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber von einem Spezialverhältnis des WpIG zum KWG ausgeht und nicht beide Gesetze auf Wertpapierfirmen parallel zur Anwendung bringen will. Die Übergangsregelung bringt dieses Trennungsverständnis klar zum Ausdruck. Wenn schon die Lizenzen aus § 15 WpIG und § 32 KWG getrennt werden und nicht gemeinsam bestehen können, spricht das dafür, das gleiche Verständnis auch für die Ermächtigungsgrundlagen der verschiedenen Normen zugrunde zu legen.
Von einem Vorrang des WpIG für Wertpapierinstitute geht offensichtlich auch die BaFin aus. Auf die Frage, ob nach dem 26.06.2021 weiterhin MaRisk und andere Verlautbarungen der BaFin für kleine und mittlere Wertpapierinstitute gelten, hat die BaFin durch Antwort vom 02.10.2021 geantwortet. Sie führt aus, dass die MaRisk und andere Merkblätter der BaFin „wie sie in der Vergangenheit für Finanzdienstleistungsinstitute und Wertpapierhandelsbanken galten“ weiterhin sinngemäß für kleine und mittlere Wertpapierinstitute angewandt werden sollen. Diese Klarstellung wäre nicht notwendig, wenn die BaFin davon ausginge, dass die Vorschriften des Kreditwesengesetzes nach wie vor für Wertpapierinstitute Gültigkeit hätten.
Vom gleichen Verständnis geht auch der Verband der unabhängigen Vermögensverwalter aus.
Dafür spricht auch das Verhalten der BaFin gegenüber den Instituten, die noch alte Erlaubnistatbestände aus dem KWG halten, wie zum Beispiel Factoring, Leasing oder die Anlageverwaltung. Nach § 86 Abs. 1 WpIG wird nur den Unternehmen die Lizenz nach dem WpIG automatisch eingeräumt, denen bis zum 26. Juni 2021 die Erlaubnis nach § 32 des Kreditwesengesetzes für folgenden Tätigkeiten eingeräumt war: Die Bankgeschäfte Finanzkommissionsgeschäft und Emissionsgeschäft und die Finanzdienstleistungen Anlagevermittlung, Anlageberatung, der Betrieb eines multilateralen Handelssystems, das Platzierungsgeschäft, Betrieb eines organisierten Handelssystems, die Abschlussvermittlung, die Finanzportfolioverwaltung, der Eigenhandel, die Drittstaateneinlagenvermittlung das und eingeschränkte Verwahrgeschäft.
Wer darüber hinaus noch andere Lizenzen aus dem KWG hatte, kann aus Sicht der BaFin die Übergangsvorschrift nicht nutzen und bekommt gegenwärtig Briefe von der BaFin. In den Briefen werden die Institute aufgefordert, die anderen Lizenzen zurückzugeben weil angeblich die Übergangsvorschrift aus § 86 Abs. 1 WpIG einen numerus clausus aufstellt und die neue Lizenz nur automatisch erteilt wird, wenn auch nur die in der Aufzählung enthaltenen Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen lizenziert waren. Weitere Lizenzen seien schädlich und würden dazu führen, dass nicht automatisch die Lizenz nach dem WpIG erteilt werden könne. Deswegen werden die Institute aufgefordert, die anderen Lizenzen zurückzugeben.
Die BaFin geht also davon aus, dass nicht gleichzeitig KWG und WpIG zur Anwendung kommen sollen. Damit ist aber auch für die Anwendbarkeit der BaFin-Verlautbarungen wie MaRisk oder die Institutsvergütungsverordnung ein klares Wort gesprochen. Sie basieren auf dem KWG und gelten daher nicht mehr für die Wertpapierinstitute, die eine Lizenz nach dem WpIG haben.
Man kann natürlich lange streiten ob das aufwändige Verfahren Sinn macht. Wenn sich aber der Gesetzgeber und die Aufsichtsbehörde für eine Trennung der Regulierungsbereich aussprechen, dann muss man die Trennung auch konsequent durchhalten. Es gibt also auf der einen Seite das KWG und seine Verordnungen und Verlautbarungen und auf der anderen Seite das WpIG. Für WpIG-Institute stehen aber die entsprechenden Verlautbarungen noch aus und die Aufsicht muss sich eben die Mühe machen, die entsprechenden Rechtsgrundlagen zu schaffen.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt