Wie bereits in den letzten Newslettern beschrieben, wird es ab Anfang August ernst. In der Anlageberatung und der Finanzportfolioverwaltung müssen die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden abgefragt werden. Damit ist es höchste Zeit, auch die Realindustrie in die Pflicht zu nehmen. Sinn macht das ganze Vorhaben nämlich nur, wenn auch Daten aus der Realindustrie vorliegen, damit Berater und Vermögensverwalter entscheiden können, welche Emittenten zu den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden passen.
Schon seit längerem hat die EU-Kommission vor, dazu die Richtlinie für die Berichterstattung von Unternehmen zu ändern. Dazu wurde vorgeschlagen, eine Richtlinie für Corporate Sustainability Reporting (CSRD) zu verabschieden. Über diese Richtlinie ist viel diskutiert worden und auch die Unternehmen und Verbände haben sich – überwiegend kritisch – geäußert. Nunmehr hat die Europäische Union im sogenannten Trilog durch Verhandlung zwischen EU-Kommission, Europäischem Parlament und den Mitgliedstaaten eine Einigung über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen erzielt. Der Kompromisstext wurde am 30. Juni 2022 veröffentlicht.
Die Einigung sieht einen sehr straffen Zeitplan vor. Bereits zum 01. Dezember 2022 soll die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden und dann auch schon bald für die Unternehmen wirksam werden. Im Wesentlichen folgen die einzelnen Vorgaben für die Berichterstattung den Anforderungen, wie sie auch für die Finanzindustrie aufgestellt werden, um die Kundenwünsche und Nachhaltigkeitspräferenzen zu erfassen:
Die vom Kunden abzufragende Nachhaltigkeitspräferenz 1 ist ja die Frage, ob er ein Finanzinstrument beziehen möchte, dass der sogenannten Taxonomieverordnung entspricht. Konsequenterweise sollen auch Unternehmen berichten, inwieweit sie den 6 Umweltzielen der Taxonomieverordnung Rechnung tragen, nämlich
  • Klimaschutz,
  • Anpassung an den Klimawandel,
  • Wasser- und Meeresressourcen,
  • Kreislaufwirtschaft,
  • Umweltverschmutzung,
  • Biologische Vielfalt und Ökosysteme.
Auch um die Nachhaltigkeitspräferenz 3 berücksichtigen zu können, sieht der Entwurf Berichterstattungspflichten vor. Die Nachhaltigkeitspräferenz 3 sind die sogenannten PAI´s, nämlich negative Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsindikatoren (Principal Adverse Impacts).
Auch zu den sogenannten Principal Adverse Impact (PAI´s) soll berichtet werden. Aktuelle und potenzielle negative Auswirkungen auf Umweltindikatoren sollen – auch unter Berücksichtigung der Wertschöpfungskette – berichtet werden, ebenso wie die getroffenen Maßnahmen, um diese negativen Auswirkungen zu messen, zu beobachten, sowie auch die damit verbundenen Due Diligence Prozesse. Berichtet werden sollen auch die Fortschritte des Unternehmens, um solche negativen Auswirkungen auf Umweltindikatoren zu vermeiden.
Zwischen dem Prime Standard Taxonomie und dem Bestreben des Kunden lediglich die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsindikatoren zu vermeiden, besteht noch der Mittelweg einer allgemeinen Nachhaltigkeitsvorgabe. Das ist die Nachhaltigkeitspräferenz 2, nämlich Unternehmen zu berücksichtigen, die allgemein nach Nachhaltigkeit im Sinne der Offenlegungsverordnung streben. Um auch einen solchen Kundenwunsch befriedigen zu können, sieht der Richtlinienentwurf detaillierte Vorgaben für die Berichterstattung von Unternehmen zu folgenden Punkten vor:
  • Geschäftsmodell und Strategie,
  • Unternehmenspolitik hinsichtlich Nachhaltigkeitsaspekten,
  • Unternehmensrisiken hinsichtlich Nachhaltigkeitsaspekten,
  • Resilienz des Geschäftsmodells und der Strategie,
  • Geschäftschancen des Unternehmens aus Nachhaltigkeitsaspekten,
  • Unternehmensplanung zur Erreichung des Ziels, die Erderwärmung auf 1,5 Grad entsprechend des Pariser Abkommens zu begrenzen und das generelle Ziel zu erreichen, bis 2050 klimaneutral zu sein,
  • Stand der Umsetzung oben genannter Vorhaben im Unternehmen,
  • Rolle und der Funktion der Geschäftsleitung und der Aufsichtsorgane sowie ihrer Expertise und Qualifikation zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten,
  • Unternehmens-Policies in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte,
  • Incentivierungsprogramme für das Management zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen,
  • Beschreibung der wesentlichen Risiken des Unternehmens im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten.
Der Entwurf beschränkt sich aber nicht nur auf ökologische Aspekte, sondern bezieht in die oben genannten Anforderungen auch soziale Aspekte wie Chancengleichheit, Arbeitsbedingungen und die Achtung grundsätzlicher Menschenrechte und demokratischer und sozialer Standards ein. Das gleiche gilt für Governance-Aspekte.
Die Details für die Berichterstattung sind delegierten Rechtsakten vorbehalten. Die Richtlinie beschreibt damit lediglich die Grundprinzipien, welche zukünftige European Sustainability Reporting Standards umsetzen müssen.
Sie enthält aber einen Zeitplan, bis zu dem diese Standards vorliegen und Vorgaben, ab wann die Unternehmen berichten sollen:
  • Ab 1. Januar 2024 sollen Unternehmen, die bereits jetzt der Richtlinie für nicht finanzielle Berichterstattung unterliegen, berichten, das heißt die erste Berichterstattung wäre 2025,
  • Ein Jahr später, ab 1. Januar 2025, sollen große Unternehmen, die derzeit noch nicht der Richtlinie über die nicht finanzielle Berichterstattung unterliegen, berichten, das heißt den ersten Bericht 2026 vorlegen,
  • Ab 1. Januar 2026 sollen dann auch sogenannte kleine und mittlere Unternehmen (KMU´s) berichten und ab 2027 ihren ersten Bericht vorlegen. Sie bekommen möglicherweise noch eine Opt-Out-Option bis 2028,
  • Ausgenommen werden wahrscheinlich nur Kleinstunternehmen. Das sind Unternehmen, die nur eines der drei nachfolgenden Merkmale überschreiten: Bilanzsumme 350.000 Euro, Nettoumsatzerlöse 700.000 Euro und eine durchschnittliche Beschäftigtenzahl von 10. Werden zwei der Kriterien überschritten unterliegen sie der Berichtspflicht.
Wahrscheinlich ist auch hier das letzte Wort noch nicht gesprochen, es ist aber jetzt schon ein riesiger Umsetzungsaufwand für die Unternehmen der Realindustrie zu erwarten. Wenn man es aber der Finanzindustrie ermöglichen will, die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden umzusetzen, führt an einer Berichterstattungspflicht für Unternehmen kein Weg vorbei.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt