Ab Anfang August müssen vom Kunden im WpHG-Bogen seine Nachhaltigkeitspräferenzen abgefragt werden. Leider zeichnet sich keine Verschiebung ab und deswegen wird es im Sommer ernst.
Im Moment arbeiten alle Verbände fieberhaft an Umsetzungslösungen. Auch wir haben uns schon Gedanken gemacht und werden Ihnen mit der 12. Auflage des DAB-Organisationshandbuches eine Systematik für die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen zur Verfügung stellen.
Zunächst zur Ausgangslage. Die delegierten Rechtsakte zur MiFID II werden geändert und es wird angeordnet, dass im WpHG-Bogen der Kunde auch seine Wünsche zur Nachhaltigkeit, d.h. zu den Zielen Ökologie, soziale Gerechtigkeit und Good Governance äußern muss. Leider reicht es aber nicht, zu diesem drei Themen einfach jeweils eine Zeile im WpHG-Bogen hinzuzufügen. Die Vorgaben sind denkbar kompliziert und sehen vor, den Kunden nicht nur zu ESG zu befragen, sondern anhand der Kriterien in der Taxonomieverordnung und der Offenlegungsverordnung.
Es gibt im Wesentlichen drei Nachhaltigkeitspräferenzen:
  • Den Wunsch des Kunden nach Wertpapieren, die einen Mindestanteil in ökologisch nachhaltige Investitionen im Sinne der Taxonomieverordnung anlegen. Das ist der sogenannte Prime Standard. Die Taxonomieverordnung und ihre delegierte Rechtsakte werden sehr strenge Maßstäbe für Wirtschaftstätigkeiten definieren, die mindestens ein gesetzliches Umweltziel wesentlich fördern müssen.
  • Der Wunsch des Kunden, ein Wertpapier auszuwählen, dass im Sinne der Definition aus der Offenlegungsverordnung nachhaltig investiert. Das sind wirtschaftliche Tätigkeiten, die zur Erreichung eines Umweltziels beitragen, gemessen beispielsweise an Schlüsselindikatoren für Ressourceneffizienz bei der Nutzung von Energie, erneuerbarer Energie, Rohstoffen, Wasser und Boden, für die Abfallerzeugung, und Treibhausgasemissionen oder für die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die Kreislaufwirtschaft, oder eine Investition in eine wirtschaftliche Tätigkeit, die zur Erreichung eines sozialen Ziels beiträgt, insbesondere eine Investition, die zur Bekämpfung von Ungleichheiten beiträgt oder den sozialen Zusammenhalt, die soziale Integration und die Arbeitsbeziehungen fördert oder eine Investition in Humankapital oder zugunsten wirtschaftlich oder sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen, vorausgesetzt das auch Grundsätze guter Unternehmensführung angewendet werden.
  • Der Wunsch des Kunden nach einem Wertpapier, bei dem die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden, weitgehend im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 der Offenlegungsverordnung.
Die Schwierigkeit ist, dass die oben genannten wirtschaftlichen Aktivitäten im Sinne der Taxonomie noch sehr dünn gesät sind. Nach gegenwärtigen Schätzungen dürften sie gegenwärtig bei 4-6 % der wirtschaftlichen Tätigkeit der deutschen Industrie liegen. Das bedeutet, wenn der Kunde dieses Prime Segment an Nachhaltigkeit wünscht, werden sich kaum Wertpapiere finden, in die in der Vermögensverwaltung investiert werden kann. Deswegen wird nichts anderes übrigbleiben, als dem Kunden diese „Deadlock“ Situation vor Augen zu führen und ihm klar zu machen, dass der oberste Nachhaltigkeitsstandard in der Vermögensverwaltung im Moment in die Sackgasse führt. Wichtig ist nämlich auch die anderen Anlageziele des Kunden zu berücksichtigen. Will er z.B. eine breite Diversifikation und Streuung, wird sich das im obersten Nachhaltigkeits-Prime-Standard nicht umsetzen lassen.
Schwierigkeiten bestehen aber auch im zweiten Segment, weil die Definitionen so weit gefasst und schwammig sind. Vor allem fehlt es an allen Ecken und Enden an Daten, um die oben genannten Kriterien zu verifizieren.
Wahrscheinlich wird daher der einzige Weg ab August sein, den Kunden im Falle von Nachhaltigkeitswünschen nahezulegen, das dritte Segment zu wählen. Bei der Berücksichtigung von Auswirkungen der Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren besteht noch ein gewisser Spielraum, weil die delegierten Rechtsakte, die das alles im Detail regeln sollen, ständig verschoben werden und wahrscheinlich erst zum Jahresende verabschiedet werden. Damit bestünde für den Vermögensverwalter die Möglichkeit, Nachhaltigkeitsindikatoren zu definieren und selbst eine Strategie zu entwerfen, die den wichtigsten Nachhaltigkeitsindikatoren Rechnung trägt. Das lässt sich z.B. auch durch Ausschlusskriterien oder Negativlisten leisten.
In diesem Bereich werden wahrscheinlich auch ab Sommer Fondsprodukte zur Verfügung stehen, die die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen. Diese werden Zielmärkte definieren und dann könnte zumindest über die Zielmarktkriterien ein Abgleich mit den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden vorgenommen werden. Die Arbeiten zur Definition dieser Zielmärkte sind durch das deutsche Verbändekonzept bereits abgeschlossen. Dadurch liegt dankenswerter Weise ein Standard vor, der z.B. auch zur Durchführung der Geeignetheitsprüfung genutzt werden könnte.
Das Thema hat auch Auswirkungen auf das Research, das Interessenkonfliktmanagement und Product Governance. Deswegen werden wir Ihnen die verschiedenen Stellen im Organisationshandbuch vorstellen, die überarbeitet werden müssen.
Ich freue mich schon auf spannende Diskussionen mit Ihnen und freue mich auf unsere Road Show.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt