Schneller als erwartet haben die Koalitionäre den Koalitionsvertrag vorgestellt. Auf 144 Seiten wird die politische Agenda für die 21. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vorgestellt. Lassen Sie uns einen Blick auf die für Finanzmarktregulierung wichtigen Punkte werfen:
In Kapitel 2 zu stabilen Finanzen und einem leistungsfähigen Staat finden sich die Vorhaben für die Kapitalmarktregulierung unter dem Titel „Haushalt, Finanzen und Steuern“. Noch vor der Kapitalmarktregulierung finden sich die Regelungen zur Geldwäschebekämpfung und Zollfahndung, ein interessanter Hinweis auf die Priorisierung der Koalitionäre. Geldwäsche und Finanzkriminalität sollen entschieden bekämpft werden und dazu die Kompetenzen des Bundes im Bereich der Finanzkriminalität gebündelt werden. Damit bleibt das alte Vorhaben von Christian Lindner zur Konzentrierung der Geldwäschebekämpfung in einer eigenen Behörde bestehen. Es sollen entscheidende Verbesserungen bei der Geldwäschebekämpfung vorgenommen werden, wie genau die aussehen bleibt aber im Dunkeln und wird nicht weiter ausgeführt. Das Thema Geldwäschebekämpfung mit ihrer überbordenden Bürokratie bleibt uns daher erhalten. Vor allem der unsägliche Anstieg der Anzahl von Geldwäscheverdachtsanzeigen dürfte ungebremst weitergehen. Ich bin optimistisch, dass wir bald die Grenze der halben Million Geldwäscheverdachtsanzeigen im Jahr überschreiten, die dann endgültig niemand mehr abarbeiten kann.
Relevant wird vor allem das Vorhaben, Transaktionen von über 10.000,00 € zu verbieten, wenn wirtschaftlich Berechtigte nicht ermittelt werden können. Ebenso interessant wird das Vorhaben der Koalition, ein sogenanntes Vermögensermittlungsverfahren zu schaffen, mit dessen Hilfe Vermögensgegenstände ermittelt werden können, deren legaler Erwerb Zweifeln unterliegt. Hier lassen die russischen Oligarchen grüßen. Den Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Länder war es bei Einführung der Russland-Sanktionen nicht gelungen, wirkungsvolle Schläge gegen Immobilienbesitz von Oligarchen aus Russland zu führen. Die Maßnahmen gingen ins Leere, weil den Behörden keine oder falsche Informationen über deren Vermögenswerte in Deutschland vorlagen.
Der Finanzplatz Deutschland soll gestärkt werden, das ist nicht weiter überraschend. Dazu will die Koalition den europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen vollenden und sich für eine einheitliche europäische Finanzregulierung engagieren. Interessant ist dabei der Hinweis, dass auf ein „Goldplating“ bei der Umsetzung von EU-Regulierungen verzichtet werden soll. Das heißt nichts anderes, als das EU-Richtlinien 1:1 umgesetzt werden sollen und Deutschland auf eine Verschärfung von EU-Richtlinien verzichten wird. Das wird schon bald für verschiedene EU-Richtlinien-Umsetzungen relevant, so z.B. bei der Umsetzung des Pakets Basel III und z.B. beim Marktzugang für Drittlandsinstitute außerhalb der EU. Hier sieht die CRD VI verschiedene Ausnahmen vor. Zum Beispiel dürfen Bankgeschäft aus Drittstaaten nur mit Niederlassung in dem jeweiligen EU-Land ausgeführt werden, für Wertpapierdienstleistungen gibt es Ausnahmen. Eine wichtige Nachricht für Anbieter aus Großbritannien oder der Schweiz.
Um der Regulierungsflut aus Brüssel Herr zu werden, soll die EU-Kommission regelmäßig einen Bericht zur Finanzmarktregulierung erstellen, in dem EU-Regulierung mit anderen großen Finanzplätzen verglichen wird. Die Ergebnisse sollen bei künftigen Regulierungsinitiativen auf europäischer und nationaler Ebene angemessene Berücksichtigung finden. Das ist ein Seitenhieb auf die überbordende ESG-Regulierung und wird sich auf die Weiterentwicklung von Sustainable Finance auswirken. Bei einem Vergleich amerikanischer und asiatischer Kapitalmärkte wird die EU-Kommission feststellen, dass bürokratische Monster, wie die Taxonomie-Verordnung und ihre Umsetzungsrechtsakte, dort fehlen. In diese Richtung geht auch das Kapitel EU-Bürokratierückbau. Überbordende Regulierungen für nachhaltige Investitionen durch Taxonomie und Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie die Lieferkettensorgfaltspflichten sollen verhindert werden. Deswegen werden EU-Vorhaben durch Omnibusverfahren, die oben genannten Regulierungen einzuschränken, unterstützt.
Die neue Regierung unterstützt den digitalen Euro, will aber Bargeld als gängige Zahlungsform erhalten. Das Lippenbekenntnis zur Banken- und Kapitalmarktunion fehlt natürlich auch nicht. Es wird aber gleich wieder eingeschränkt, das deutsche Drei-Säulen-Prinzip aus Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken soll erhalten bleiben und die Belange kleinerer Banken und Sparkassen berücksichtigt werden. Eine vergemeinschaftete europäische Einlagensicherung ohne Vorbedingungen wird abgelehnt. Das ist eine relativ klare Absage an die Kapitalmarktunion. Dieser fehlt ja gerade noch die gemeinsame Einlagensicherung, der durch den Koalitionsvertrag eine deutliche Absage erteilt wird.
Auch der europäischen Planung durch die Kleinanlegerstrategie wird eine Absage erteilt. Danach sollte eigentlich die MiFID II reformiert und mehr oder weniger ein Provisionsverbot eingeführt werden. Im Koalitionsvertrag wird aber nun festgelegt, dass die honorar- und provisionsbasierte Finanzberatung nebeneinander erhalten werden sollen. Lediglich die Befugnisse der BaFin im Rahmen der Missstandsaufsicht soll geprüft und möglicherweise ausgeweitet werden.
Interessant ist auch, was nicht im Koalitionsvertrag steht. Vor zwei Legislaturperioden hatten sich Union und SPD darauf verständigt, die Vermittler mit Lizenz nach § 34 f Gewerbeordnung in die BaFin-Aufsicht zu führen. Im neuen Koalitionsvertrag steht davon nichts. Die 34f-Vermittler dürften damit der Regulierung von der Schippe gesprungen sein.
Somit besteht im Regulierungsbereich ein überschaubarer Katalog an Innovationen.
Gerne halte ich Sie über die einzelnen Umsetzungsschritte auf dem Laufenden.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt
Dr. Christian Waigel
Rechtsanwalt